Thurgau
Wenn zum Grundstück ein Stück See gehört: Regierung sieht keinen Handlungsbedarf

Die Thurgauer Regierung räumt ein, dass viele Ufergrundstücke bis in den See hineinreichen – obwohl Privateigentum an öffentlichen Gewässern rechtlich eigentlich nicht möglich ist. Weil sich daraus bis jetzt keine konkreten Nachteile ergeben hätten, verneint sie Handlungsbedarf.

Christian Kamm
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Auch zur Parzelle rund um das Schlössli in Bottighofen gehört ein Stück vom Bodensee.

Auch zur Parzelle rund um das Schlössli in Bottighofen gehört ein Stück vom Bodensee.

Reto Martin

Ein parlamentarischer Vorstoss des Grünen-Kantonsrats Toni Kappeler (Münchwilen) hat es an die Wasseroberfläche gebracht. Zu vielen Ufergrundstücken gehört laut Grundbuch auch sogenannt «stehendes Gewässer». Sprich: Das Grundstück reicht grundbuchamtlich in den See hinein. «Die Grundeigentümer sind demnach nicht nur Eigentümer eines Teils des Seeufers, sie sind damit auch Eigentümer eines Teils des Bodensees.» Das sei rechtlich gar nicht erlaubt, zitiert Kappeler in seiner Einfachen Anfrage die Gesetzeslage. Deshalb wollte er von der Thurgauer Regierung wissen, bis wann sie die Grundbucheinträge korrigieren lasse.

Die Uferlinie kreativ ausgelegt

In seiner Antwort bestätigt der Regierungsrat die Sachlage. In der ganzen Schweiz sei es Usus, «in den Vermessungswerken auf die sichtbare Uferlinie abzustützen». Die Schwierigkeit beim Bodensee mit seinen vielen flachen Uferzonen liege darin, dass sich die sichtbare Uferlinie eben nicht so einfach bestimmen lasse. Angesichts dieser Ausgangslage werde die Vorgabe «uneinheitlich umgesetzt, da sie mehr oder weniger extensiv ausgelegt werden kann». Uneinheitlich – und in der Vergangenheit auch sehr kreativ, wie die Regierung einräumt:

«Gemäss mündlicher Überlieferung des ehemaligen Kantonsgeometers wurde früher in einigen Thurgauer Gemeinden am Bodensee sogar mehrere Jahre gezielt auf einen möglichst tiefen Wasserstand gewartet, um dann die Grenzzeichen am Wasserrand zu setzen und zu vermessen.»

Aus diesen Umständen heraus sei die heutige Situation entstanden.

Die öffentlichen Interessen sind gewahrt

Dennoch sieht die Kantonsregierung keinen Handlungsbedarf. Sie verweist zum einen auf die Rechtslage, wonach bezüglich der öffentlichen Gewässer verschiedene Regelungen bestünden, welche sicherstellten, dass die zu den Grundstücken gehörenden Wasseranteile dennoch «öffentlich sind und öffentlich genutzt werden können». Der Eigentumsfrage komme folglich nur sehr beschränkt und lediglich im Einzelfall praktische Bedeutung zu. Die öffentlichen Interessen könnten ohne weiteres wahrgenommen werden.

Dazu kommt laut Regierung ein unverhältnismässiger Aufwand für eine Bereinigung im Sinne Kappelers. Denn: Die als «stehendes Gewässer» deklarierten Flächen zählen als Teil des Grundstücks mit zur Gemeindefläche. Mit einschneidenden Konsequenzen: «Wird die Privateigentumsgrenze ans Ufer oder zur Hochwasserlinie zurückversetzt, verkleinert sich somit auch die Gemeindefläche.»

Und das hätte seinerseits wiederum Folgen, weil die Gemeindefläche als Grundlage dient für zahlreiche statistische Berechnungen und Kostenverteilungsschlüssel. Resultat:

«Es ergäbe sich umfangreicher Anpassungsbedarf.»

Weitere Schritte nicht ausgeschlossen

Kantonsrat Toni Kappeler kann auf Anfrage der Argumentation des Regierungsrats einiges abgewinnen: «Das leuchtet mir eigentlich ein.» Er will aber weitere Schritte in dieser Angelegenheit zum heutigen Zeitpunkt noch nicht ausschliessen. Er werde das vielmehr prüfen und vor allem noch mit Gesprächspartnern im Kanton St.Gallen reden, welcher ebenfalls von der Problematik betroffen sei.