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Eine Premiere der anderen Art: Das ehemalige Kino Rex an der Zwinglistrasse wird ein Regenrückhaltebecken.
Das ehemalige Kino Rex an der Zwinglistrasse wird geflutet. Wer diese Schlagzeile im Kulturmagazin Saiten liest, wähnt sich im ersten Augenblick vielleicht im falschen Film, denkt womöglich im zweiten Moment an einen verspäteten Aprilscherz – oder hofft schliesslich auf eine 2020er-Fortsetzung des letztjährigen Zwischennutzungsprojekts «Ex Rex» des Magazins.
Weder noch. Entsorgung St.Gallen ist es todernst mit dem Fluten und dem Dichtmachen der Schotten im «Rex»: Aus dem ehemaligen Kinosaal soll ein Regenrückhaltebecken mit drei Kammern und einem Fassungsvermögen von insgesamt rund 450 Kubikmetern werden.
Der Stadtrat beantragt dem Stadtparlament an dessen Sitzung vom kommenden Dienstag in der Sporthalle Kreuzbleiche einen Kredit über 580000 Franken für das Vorhaben.
Das «Rex» wurde im Sommer vor zwei Jahren von der Kinogesellschaft Kitag geschlossen. Jetzt plant die HRS Real Estate AG (HRS) an der Zwinglistrasse 2 und 4 eine Wohnüberbauung. Das Gebäude mit dem ehemaligen Kino wird abgebrochen.
Auf dem Areal ist der Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern mit einer Tiefgarage vorgesehen, wie aus der Vorlage ans Stadtparlament hervorgeht. Für den ehemaligen Kinosaal besteht keine Verwendung mehr, wie es weiter heisst.
Es war vorgesehen, den Saal im Untergeschoss mit Aushubmaterial zu füllen. Das ist passé. Entsorgung St.Gallen will das Volumen nutzen, um im brachliegenden Gebäudeteil ein Retentionsbecken zu erstellen.
Gemäss Vorlage handelt es sich bei der Nutzung einer bestehenden Baute als Rückhaltebecken um einen neuen, innovativen Ansatz nach dem «Sponge City»-Konzept.
Das wird so erklärt: «‹Sponge City›, die Stadt als Schwamm. Verstärkt durch den Klimawandel leiden Städte unter dem Wechselspiel von Hitze und Starkregen. Intelligentes Regenwassermanagement kann die Überflutungsgefahr mindern und die Lebensqualität steigern.»
Die Konstellation mit dem Überbauungsvorhaben der HRS und der Nutzung des ehemaligen Kinosaals als Retentionsvolumen sei geradezu ideal. Mit der HRS sei eine Nutzungsvereinbarung erarbeitet worden. Der Kinosaal wird der Stadt von der HRS entschädigungslos zur Verfügung gestellt, wie es heisst. Im Gegenzug trägt Entsorgung St. Gallen die Kosten, die in Zusammenhang mit Planung, Bau und Unterhalt stehen.
Die Stadtentwässerung setzt in Zukunft verstärkt auf die Schliessung des Wasserkreislaufs auf den einzelnen Grundstücke und dezentrale Rückhaltemassnahmen, wo dies wirtschaftlich möglich ist. So könne mit der Umsetzung dieses Konzepts langfristig auf den weiteren Ausbau von überlasteten Hauptkanälen vom Stadtzentrum bis zu den Kläranlagen verzichtet werden, heisst es in der Vorlage.
Die Optimierungsmöglichkeiten im Kanalnetz seien beträchtlich. «Wir leisten mit dem Regenrückhaltebecken im ehemaligen Kino Rex einen Beitrag an den Gewässerschutz», sagt Marco Sonderegger, Unternehmensleiter bei Entsorgung St. Gallen. Gewässer wie die Steinach könnten so vor Einleitungen von Mischabwasser aus Hochwasserentlastungen bei Starkniederschlägen verschont werden.
Entsorgung St. Gallen hat im vergangenen Jahr den Smart City Innovation Award für intelligente Kanalbewirtschaftung erhalten. Das Unternehmen verpflichtete sich, das Preisgeld von 100000 Franken für weitere Optimierungen im Kanalnetz unter dem Motto «Digital im Kanal» zu investieren. Das Projekt «Rex» ist Bestandteil dieser Investition, so der Stadtrat.
Mit dem Rückhaltebecken im ehemaligen Kinosaal könne die Spitzenbelastung des lokalen Kanalnetzes im Gebiet Knottergässlein bis Schibenertor stark vermindert werden. Marco Sonderegger sagt:
«Wir haben dort im Kanalsystem einen Flaschenhals. Mit dem Retentionsbecken können wir den Abfluss regulieren.»
Hiefür müssen Umbauten im bestehenden Kanalnetz und neue Kanäle und Bauwerke für den Beckenzulauf und -ablauf erstellt werden. Für die Eliminierung von Emissionen aus dem Becken sind technische Massnahmen wie eine Lüftung und Filter vorgesehen. Stinken und Lärmen soll es also nicht rund um den St.Galler Blumenbergplatz wegen des umgenutzten Kinosaals.
Dieser wird gemäss Parlamentsvorlage in drei Kammern aufgeteilt. Bei schwachen Niederschlägen füllt sich zuerst das erste Becken. Erst bei stärkeren Regenfällen fliesst das Wasser in die nachgeschalteten Becken. So kann der Unterhaltsaufwand im Regenrückhaltebecken geringgehalten werden.
Die drei Kammern entleeren sich etwa zur Hälfte über einen gedrosselten Ablauf im freien Gefälle in die öffentliche Mischabwasserkanalisation. Für die vollständige Entleerung der Becken ist gemäss Vorlage ein Pumpensumpf mit einer Tauchmotorpumpe im ersten Becken vorgesehen.
Das zweite und dritte Becken können über Verbindungsleitungen in den Pumpensumpf entleert werden. Für den Unterhalt der Anlage wird ein Zugang ausserhalb des Neubaus erstellt. Das erste Becken wird über den Technikraum betreten, der im ehemaligen Notausgang des Kinos erstellt wird.
Sind alle drei Becken gefüllt, gelangt das Wasser über einen Notüberlauf ins Kanalsystem. Dafür braucht es aber Starkregen über eine längere Zeit.