Wenn das Quecksilber normalerweise im Frühling ansteigt und es Sommer wird, ist das Brückenspringen am Rhein eine Tradition für Jung und Alt. Dieses Jahr machte das Wetter jedoch gar nicht mit.
Ein trostloses Bild zeigt sich am letzten Tag des Sommers in Diessenhofen: An der Rheinbrücke hängt eine liegen gelassene Badehose, während am Himmel dunkle Regenwolken vorbeiziehen. Hin und wieder läuft jemand daran vorbei und schaut kurz aus den Fenstern hinaus an diesem kaltnassen Nachmittag im August: «Dieses Jahr soll Sommer gewesen sein? Ein schön blöder Sommer war das», sagt eine Mutter im Vorbeigehen. Die Kinder und Jugendlichen, die hier normalerweise von der Brücke aus dem Jahre 1814 in den Rhein springen, blieben in diesem Jahr fern:
«Das Wetter hat den Buben und Mädchen den Sommer vermiest, aber vielleicht kommen ja noch einige schöne Tage im Altweibersommer.»
Von einer der Rheinbrücken in Stein am Rhein oder in Diessenhofen einige Meter in die Tiefe ins kalte Nass zu springen, erfordert schon gewissen Mut, doch ist es für Jugendliche und Junggebliebene eine alte Tradition. Für Schülerinnen und Schüler war der Sommer 2021 aber eher für die Katz: «Das war einfach ein miserabler Sommer – fast immer, wenn wir frei hatten, hat es geregnet oder dann war es einfach zu kalt», sagt der 13-jährige Schüler, Elija Teichmann, aus Stein am Rhein.
Er und sein Bruder, der 15-jährige Aurel Teichmann, gingen dann trotzdem auch manchmal baden, wenn das Wetter auch nicht optimal war. Die Touristen johlen dann immer und filmen uns, wenn wir einen Satz ins Wasser machen, manchmal habe ich das Gefühl, die denken, es sei gefährlich.» Die beiden Brüder schmunzeln. Es sei keine grosse Kunst von der fünf Meter hohen Brücke zu springen. Man müsse einfach auf die Boote aufpassen. Die Schüler wünschen sich eine flexiblere Unterrichtsgestaltung, falls es die nächsten Jahre wieder so oft regnerisch sein sollte: «Wenn die Appenzeller Schulfrei bekommen, um Ski zu fahren, sollten wir auch frei bekommen, um zu schwimmen.»
In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Zwischenfällen, die teils sogar Verletzte forderten: Brückenspringer erwischten teils sogar Boote und verletzten sich und die Bootspassagiere dabei. An den Brücken wie in Stein am Rhein wurden darum Warnschilder aufgestellt, dass das Brückenspringen auf eigenes Risiko geschehe. «Das Problem sind die Fremden, die denken, man könne hier einfach reinspringen wann und wo man will», sagt ein älterer Herr auf der Rheinbrücke. Er springe schon seit 40 Jahren von der Brücke und werde das auch weiterhin tun. Vor kurzem wurde bei den Behörden und den Gemeinden gar über ein Verbot nachgedacht: «Das nützt doch nichts», sagt seine Frau, ebenfalls aus Stein am Rhein: «Wenn, dann mussten sie die Brücken mit einem riesigen Zaun sichern. Ein Verbot, bringt hier genau nichts – die Leute springen sowieso.»
Während die Sonne langsam durch die Wolken am Himmel scheint und wenige Strahlen auf den Rhein wirft, sind die jungen Brückenspringer zuversichtlich: «Vielleicht können wir noch einmal springen in diesem Jahr, bevor es dann endgültig zu kalt wird.»