Steuerfuss
Thurgauer SP und Grüne kritisieren: «20 Prozent würden die Steuersenkung einsacken»

Für einmal erhält die Thurgauer Regierung keine guten Noten. Die vorgeschlagene Steuerfusssenkung von fünf Prozentpunkten sei verantwortungslos, kritisieren Vertreterinnen und Vertreter von SP und Grünen im Vorfeld der Diskussion im Kantonsparlament.

Christian Kamm
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Marcel Bühler ist sich mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern einig: «Diese Steuersenkung ist verantwortungslos.»

Marcel Bühler ist sich mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern einig: «Diese Steuersenkung ist verantwortungslos.»

Ralph Ribi

Bis jetzt haben vor allem die Steuersenker die politische Arena beherrscht. Nachdem die Kantonsregierung mit einer Steuerfussreduktion von fünf Prozentpunkten in den Ring gestiegen war, hatten sich bürgerliche Exponenten mit weitergehenden Wünschen gleichsam überboten.

Nun hat die Gegenseite, bestehend aus SP und Grünen, vor der Grossratsdebatte am nächsten Mittwoch ihre Position markiert und die Pläne für eine Steuerfussreduktion als verantwortungslos gebrandmarkt.

Zwei bis drei Kaffees im Monat

Der Grüne Nationalrat Kurt Egger, der auch GP-Kantonalpräsident ist, rechnete an einer Medienkonferenz am Beispiel Kreuzlingen vor, dass fast vier Fünftel der Steuerpflichtigen ein Einkommen von weniger als 75'000 Franken versteuerten. Sie würden kaum profitieren. Im besten Fall monatlich mit einem zusätzlichen Mittagessen im Restaurant. Für rund die Hälfte schauten sogar nur zwei bis drei Kaffees im Monat heraus. Dem Kanton gingen umgekehrt mit einer Steuersenkung von 117 auf 112 Prozent rund 30 Millionen Franken pro Jahr verloren. Egger folgerte: «20 Prozent sacken es ein.»

Die guten Rechnungsabschlüsse 2018 bis 2020 seien der Hauptgrund des Regierungsrats für die ins Auge gefasste Steuersenkung. Das «absolute Rekordergebnis 2020» wurde laut dem Wirtschaftswissenschafter Marcel Bühler allerdings fast zur Hälfte nicht vom Kanton, sondern von der Nationalbank erwirtschaftet. Und vor allem: Die Budgets 2021 und 2022 sowie der kantonale Finanzplan wiesen nach der Steuersenkung bis 2025 hohe Verluste aus mit ungewöhnlich vielen negativen Finanzkennzahlen. Für Bühler ist der Fall klar:

«Die geplante Steuerfusssenkung ist nicht nachhaltig.»

In ein paar Jahren wieder erhöhen?

Sandra Reinhart, Fraktionschefin der Grünen im Grossen Rat.

Sandra Reinhart, Fraktionschefin der Grünen im Grossen Rat.

Ralph Ribi

Der Steuerfuss dürfe nicht zu einem kurzfristigen, populistischen Instrument der Finanzpolitik werden, doppelte die Grünen-Fraktionschefin Sandra Reinhart nach. Sie vermutet gar, dass die massiven Verluste gemäss Finanzplan 2023 bis 2025 in ein paar Jahren eine erneute Erhöhung der Steuern unabdingbar machen könnten. Eine nachhaltige Finanzpolitik dürfe nicht auf volatilen Zahlungen wie den Ausschüttungen durch die Nationalbank basieren. Auch könnten aufgrund der hohen Verluste bis 2025 eigene Investitionen nicht mehr durch laufende Erträge finanziert werden: «Zusätzliche Verschuldung wäre die Folge.»

SP-Präsidentin Nina Schläfli und SP-Fraktionspräsidentin Sonja Wiesmann betonten, dass es noch wichtige Handlungsfelder gebe, auf denen der Kanton aktiv werden müsste – anstatt Steuern zu senken. Für Schläfli ist beispielsweise eine stärkere finanzielle Beteiligung an der ausser- und vorschulischen Kinderbetreuung dringend notwendig. Der Thurgau halte sich in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stark zurück:

«Die Rechnung bezahlen die Familien. 89 Prozent der Kitakosten werden von den Eltern selbst berappt.»

Besser in die Zukunft investieren

Sonja Wiesmann, Fraktionschefin der SP im Grossen Rat.

Sonja Wiesmann, Fraktionschefin der SP im Grossen Rat.

PD

«Es gibt noch genug Baustellen», betonte auch Wiesmann. Sie führte etwa die Gesundheitskosten ins Feld. Der finanzielle Druck durch die Erhöhung der Krankenkassenprämien belaste immer mehr Haushalte, «nicht nur Geringverdienende spüren diese Last». Der Thurgau müsse bei der Individuellen Prämienverbilligung (IPV) nachbessern, weil ab einem Lohn von rund 2500 Franken keine IPV entrichtet werde. «Hier von einem mittleren Einkommen zu sprechen, ist wohl etwas gewagt.»

Kurt Egger benannte schliesslich die Klimakrise als weitere Herausforderung. Der Thurgau habe zwar ein fortschrittliches Energieförderprogramm, bewege sich aber trotzdem weit unter seinen eigenen Zielsetzungen. Im Klartext: «Es wären etwa die doppelten Investitionen nötig, um die Ziele mit dem Förderprogramm zu erreichen.» Auch deshalb sei es keine gute Idee, die Steuern zu senken.

Gewinnanteile weitergeben

SP und Grüne wollen nicht einfach eine Steuersenkung und damit «waghalsige Budget- und Steuerexperimente» verhindern. Sie schlagen ausserdem ein alternatives System für den Fall vor, dass die Ausschüttungen der Nationalbank weiter sprudeln. Überweise die SNB hohe Gewinnanteile, sollen diese jährlich nach Abzug des Gewinn-Grundanteils direkt an die Bevölkerung überwiesen werden. Das könnte zum Beispiel als Steuergutschrift geschehen oder in Form eines partizipativen Projektfonds für aussergewöhnliche Projekte oder drittens mit innovativen Grossprojekten zur Bewältigung der Klimakrise. Das sei besser, als eine Steuerpolitik zu betreiben, mit der man auf hohe Gewinnausschüttungen wette. (ck)