Ausstellung
Othmar Eders Erinnerungen an Genua: Neue Ausstellung «Il Porto di Genova» in der Frauenfelder Stadtgalerie Baliere

Der Stettfurter Künstler Othmar Eder bestreitet eine ebenso zarte wie tiefgründige Ausstellung in der Stadtgalerie Baliere.

Dieter Langhart
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Othmar Eder aus Stettfurt in der Stadtgalerie Baliere.

Othmar Eder aus Stettfurt in der Stadtgalerie Baliere.

Bild: Andrea Tina Stalder

Wer kennt schon Genua genau, den Moloch hinter dem Fracht- und Fährhafen am Ligurischen Meer. Othmar Eder kennt Genua wie seinen Hosensack, und erst recht kennt er den Hafen. Er hat ihn während seines Atelierstipendiums in sich aufgenommen, festgehalten in Skizzen und Fotografien, hat ihn heim genommen und hat die Stadt in seinem Atelier in Stettfurt neu gedeutet.

Die Baliere allein zu bespielen, benötigt künstlerische Kraft und poetische Umsicht – Othmar Eder besitzt beide Talente. In seiner Ausstellung «Il porto di Genova» reflektiert er die Zeit in der italienischen Hafenstadt. Die Skizzen und Fotografien, die aus seinen Beobachtungen entstanden sind – stets weitab der touristischen Treffpunkte und Postkartenmotive –, hat er daheim im Stettfurter Atelier ausgeweitet. Hat sie ergänzt mit seinen Erinnerungen, seiner Wehmut auch über das Vergängliche, das er in jeder Stadt spürt, etwa in Lissabon, das er oft bereist hat und dessen weiches Licht ihn fasziniert. Genua hat für Eder ein anderes Licht: ein schmutzigeres, flüchtigeres, morbideres.

Mehr Interesse an Beiläufigem statt Majestätischem

Objekte und Fundstücke lässt Eder teils stehen, dann wieder weitet er sie aus oder verfremdet sie. Stefanie Hoch, Kuratorin des Kunstmuseums Thurgau, sagte in ihren Eröffnungsworten zur Vernissage:

«Wie immer bei Eder ist die Wiedergabe des Gefundenen bruchstückhaft und entzieht sich jeder Festschreibung. Trotz Akribie und Genauigkeit der einzelnen Striche sind die Motive voller Unschärfen und Fehlstellen, manchmal sogar noch voller Gipsrückstände vom Plakatabriss.»

Eder interessiert das Beiläufige weitaus mehr als das Majestätische, das in jeder Grossstadt steckt. Natürlich hat er den monumentalen Friedhof Staglieno abgeschritten, hat von ihm aber ein ramponiertes, vom Wetter zerfressenes Fundstück heimgebracht – auf das er ein angedeutetes Gesicht gezeichnet hat, ähnlich dem auf zwei daneben hängenden Zeichnungen, die wie Geisterbilder wirken.

Und dazwischen hängt ganz profan die Fotografie einer Blumenfrau – welch ein Kontrast zu den schattenhaften Gesichtern. Der Künstler spielt nicht nur mit seinen Motiven, sondern mit den Assoziationen, die sie beim Betrachter erwecken.

Staglieno 2022, 2-teilig, Zeichnungen auf Papier.

Staglieno 2022, 2-teilig, Zeichnungen auf Papier.

Bild: Andrea Stalder

Nie Abbilder, sondern Interpretationen

Eder liebt es, seine Motive zu durchleuchten, zu übermalen oder ihre Strukturen zu vervielfältigen. Gekonnt setzt er verschiedene Formate und Medien ein: Zeichnung und Fotografie, Video und Objekt. Seine Werke sind jedoch nie Abbilder – sie sind die Interpretationen, Neudeutungen und Überlagerungen dessen, was er gesehen und dabei gefühlt hat. Was der Kunsthistoriker E. H. Gombrich einst gesagt hat, trifft auf Othmar Eder in besonderem Masse zu:

«Der Künstler transkribiert nicht einfach, was er sieht, er kann es nur mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln übersetzen.»

Bei Eder sind es etwa Kohlepausen oder Frottagen, Übermalungen oder Projektionen. Ebenen überlagern einander, Dinge wie die überdimensionale Zeichnung einer Zündkerze wirken verfremdet, und die Materialität tritt in den Hintergrund. Auch Genuas profane Hofenmauer wird zur Protagonistin, wenn Eder mit der Videokamera ihr entlang fährt.

Auf Stefanie Hoch wirkt der genuesische Groove «rauher als jener Lissabons», die Arbeiten seien weniger idyllisch als frühere, Erhabenheit habe ausgedient. «Wir sind der Welt entfremdet und sie entgleitet uns mehr und mehr.» Für die Kuratorin gehe es letztlich um ein Vermächtnis, um etwas, das bleibe.

Stadtgalerie Baliere, bis 23.12.; Fr, 17­–20, Sa/So, 14–17 Uhr.