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Ostschweiz
Am Tag zwei der Corona-Skeptiker-Kundgebungen versammeln sich erneut zahlreiche Menschen in Klein-Venedig in Konstanz. An einer Podiumsdiskussion sind sich die Gesprächsteilnehmer einig: Die Massnahmen gegen die Pandemie seien völlig überzogen. Am Nachmittag kommt es zu einzelnen Aggressionen, dann beruhigt sich die Lage wieder.
Nachdem die Kundgebungen am Vormittag mit Gottesdienst, Reden und Podiumsdiskussion friedlich verliefen, ändert sich die Stimmung am frühen Nachmittag. Sie ist angespannt, es kommt zu gegenseitigen Anfeindungen zwischen Demonstranten und Passanten. Linke skandieren vor dem Riesenrad. Mit einem massiven Polizeiaufmarsch wird versucht, die Gruppen zu kanalisieren. Gruppen waren zeitweise eingekesselt, man spricht von Tränengasspray im Einsatz. Nach 16 Uhr beruhigt sich die Stimmung wieder und das geplante Programm wird fortgesetzt.
Nicht ganz klar ist, ob der geplante Zug durch die Innenstadt stattfinden wird. Nachdem der Anwalt des Veranstalters die Demo abgesagt hat, ruft der Veranstalter selber zu Spaziergängen durch die Stadt auf, «das darf man ja in Deutschland.»
Die Kundgebung in Konstanz nimmt vor dem Mittag Fahrt auf. Vor zahlreichen friedlichen Corona-Skeptikern findet eine «Podiumsdiskussion» statt – wobei alle Teilnehmer dieselbe Meinung vertreten: Die Massnahmen seien überzogen, die «Mainstream-Medien» würden lügen und die Impfstoffe würden Gefahren bergen.
Der Platz hat sich mittlerweile gefüllt, zwischenzeitlich mussten zusätzliche Ordnungshüter organisiert werden.
Unter dem Jubel der Menge, welche keinen oder wenig Abstand hält, treten auch Corona-Skeptiker aus der Schweiz auf. Es sind dies etwa der freigestellte Wattwiler Amtsarzt Rainer Schregel. Auf Facebook und in «alternativen Medien» relativierte er die Gefahren der Pandemie und verbreitete Aussagen, die keiner wissenschaftlichen Prüfung standhalten.
Nachdem diese Zeitung seine streitbaren Äusserungen publik gemacht hatte, griff er Schregel eine Journalistin dieser Zeitung persönlich an: «Joseph Goebbels hätte Sie als ‹mein kleines Mädchen› bezeichnet», schrieb Schregel in einem unterdessen gelöschten Post auf Facebook – gefolgt von sexistischen, chauvinistischen und herabsetzenden Äusserungen.
Daraus zogen sein Arbeitgeber Medbase, der Kanton St.Gallen als auch die Ärztegesellschaft des Kantons ihre Konsequenzen: Schregel wurde mit sofortiger Wirkung freigestellt.
Ausserdem auf dem Podium: Roger Bittel, Betreiber des alternativen Fernsehsenders BittelTV. Unter grossem Beifall rief er dazu auf, die «Mainstream-Medien» zu ignorieren und sich nur noch in «alternativen Medien» zu informieren.
Auch der Ostschweizer Unternehmer und Betreiber des Garagensenders Stricker.TV, Daniel Stricker, hat einen Auftritt. Seit langem bezeichnet er die Maskenpflicht als «Hygiene-Faschismus». «Zeugen Coronas» nennt er Menschen, welche die Massnahmen zu wenig hinterfragen.
In einer Pause behauptet der Demo-Organisator Gerry Mayr derweil, es seien bei der Menschenkette am Samstag 60'000 Menschen um den Bodensee zusammengekommen. Laut Polizei waren es 11'000, die sich rund um den See versammelt haben.
Gerry Mayr, der Demo-Organisator aus Konstanz, wendet sich in einer Rede an die versammelten Kundgebungsteilnehmer: «Was erzähle ich euch als kleiner Motorradmechaniker von Viren. Aber, ich habe viel gelesen und unser Wissensstand ist grösser als man meint.» Youtube und Internet würden halt manchmal etwas anderes sagen, als die «Mainstream-Medien». Aber die «Mainstream-Medien» würden sich nicht mehr länger vermehren können und langsam offener werden. «Sie müssen den Diskurs mit uns suchen. Weil wir sind immer mehr!» Dann ruft Gerry Mayr in die Menge: «Ich liebe euch!» Und erntet Applaus. «Ihr seid ein Teil einer Bewegung, der ‹Querdenker›. Es wurde eine Saat gesät in Deutschland, die es noch nie gab.»
Schliesslich wendet er sich direkt an die «liebe Regierung», an die Polizei und an die Beamten: «Beachtet uns. Wir sind die, die eure Steuern bezahlen. Liebe Polizei, wir sind die, um die es geht, die ihr beschützen sollt und nicht wegdrängen. Liebe Beamten, wir sind das Volk! Wir wollen wieder Vertrauen bekommen in euch, das ist im Moment leider nicht wirklich da.»
In der Menge von weitem zu hören ist Stefan Bauer. Stefan Bauer ist Vorstandsmitglied der AFD im bayrischen Rosenheim. Der am rechten Rand agierende Politiker und Blogger war bereits in Vergangenheit als rabiater Akteur bei Corona-Protesten aufgefallen. Auf seinem Youtube-Kanal zeigte er offensichtlich Sympathien mit wegen Volksverhetzung verurteilten Videoblogger Nikolai Nerling. Nerling gilt als offen rechtsradikal und pflegt viele Kontakte zur Neonazi- und Holocaustszene.
In einem Interview mit Stefan Bauer auf dessen Youtube-Kanal zeigte sich Nerling indes erfreut darüber, dass Querdenken-Organisator Michael Ballweg «aufgehört hat, sich zu distanzieren». Das habe Michael Ballweg Nerling in einem Gespräch gesagt. Ferner sagt der Rechtsextreme wörtlich: «Im Süddeutschen Reich sind die Querdenker gut aufgestellt. Ich beteilige mich gern an deren Arbeit.»
Querdenken-Initiant Michael Ballweg – sein Auftritt ist für Abend angekündigt – hat sich zwar inzwischen von dem Rechtsextremen Nikolai Nerling distanziert. Nicht trennen möchte er sich hingegen von seinem Sprecher Stephan Bergmann. Auch er trat in Konstanz auf. Dieser hatte auf Facebook rassistische Inhalte verbreitet, unter anderem Warnungen vor einer drohenden «Vermischung der Rassen», wie der «Tagesspiegel» berichtet.
An der Demo in Konstanz waren indes keine rechtsextremen Symbole zu sehen. Gemäss dem Südkurier hatten die Veranstalter im Vorfeld versucht, sich von Rechtsextremisten abzugrenzen. Auch verbot die Stadt Konstanz Reichsflaggen, Kaiserreichsflaggen und andere Zeichen mit einem deutlichen Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus.