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Seit kurzem ist das Ratsstübli im St.Galler Kantonsparlament für die Journaille nicht mehr frei zugänglich. Von einem Versuch, Zugang zu finden.
Ich weiss noch, als ich zum ersten Mal ein Parlament von innen sah. In der Oberstufe war das, Schulreise nach Bern, wir sassen auf der Zuschauertribüne und verfolgten eine Debatte des Nationalrats. Ich erinnere mich, wie ich mir sinngemäss dachte: Das sind Menschen in noblen Kleidern, die Wörter benutzen, die ich nicht verstehe. Und doch behielt ich den Bändel oder Badge, den wir damals bekamen. Und genauso das Interesse.
Jetzt, 13 Jahre später, sitze ich erstmals beruflich in einem Parlament: in der Junisession des St.Galler Kantonsrats. Ich habe auch dieses Mal einen Badge bekommen. Nur darf ich mit diesem nicht nur auf die Zuschauer-, sondern auch auf die Medientribüne. Sogar ins Ratsstübli könne man mit diesem Badge, sagt ein erfahrener Journalistenkollege, der ebenfalls vor Ort ist.
Das Ratsstübli ist ein kunstvoll verzierter Raum mit Tischen und einer Theke, es gibt Kaffee und diverse Snacks. Und die einen oder anderen Diskussionen oder Lästereien unter Parlamentarierinnen und Parlamentariern. So stelle ich es mir zumindest vor.
Fünf Minuten später stehen wir vor einer Treppe und zwei Securitas-Angestellten. Wir wollen hoch, ins Ratsstübli, und halten unseren Badge an ein Lesegerät, das aber weder grün leuchtet noch piepst. Ein Securitas fragt, ob wir denn überhaupt Kantonsräte seien. «Journalisten», sagen wir, ich mit ein wenig Stolz. «Die dürfen nicht mehr ins Ratsstübli», sagt der Securitas aber.
Der erfahrene Journi verweist auf Vergangenes, wie das Erfahrene halt eben tun, und Journalisten sowieso: Das Ratsstübli sei immer offen gewesen für Berichterstattende. Der Securitas entgegnet, er habe das nicht entschieden. Wer das denn entschieden habe, will der erfahrene Journi also wissen. Der Securitas grübelt lange. «Wie heisst der jetzt noch mal?», sagt er. Weiss er es wirklich nicht oder mimt er nur glaubhaft den Unwissenden? «Irgendetwas mit S», sagt er dann, ohne aber den Namen zu nennen.
Wir grübeln nun zu dritt, der erfahrene Journi mit ernsthaftem, ich mit gespieltem Eifer, genauso wie mutmasslich der Securitas. Dann kommt ein Kantonsrat vorbei, hält seinen Badge hin und das Lesegerät leuchtet grün oder piepst. Der Securitas sagt, als sei es ihm gerade eingefallen, man könne auch hoch, wenn ein Kantonsrat einen mitnähme. Also schliessen wir uns dem Politiker an und stehen kurz darauf im Gang zum Ratsstübli, wo Worte und vielleicht auch Strategien ausgetauscht werden. So stelle ich es mir zumindest vor.
Von einem anwesenden Kantonsrat erfahren wir bald den Namen, der für das bedingte Ratsstübliverbot verantwortlich zu sein scheint. «Irgendetwas mit S» ist Lukas Schmucki, Leiter der Parlamentsdienste. Auf die Mail, die ich ihm schreibe, antwortet Schmucki nach über 48 Stunden: «Der Ratsstübli-Bereich ist grundsätzlich den Mitgliedern von Kantonsrat und Regierung sowie den Mitarbeitenden des Kantonsrates vorbehalten.» Weil die neuen Regeln auch für «Mitarbeitende der Staatsverwaltung bis hin zu den Generalsekretären der Departemente» sowie «sonstige Gäste der Ratsmitglieder» gilt, ist das verhängte Ratsstübliverbot immerhin konsequent.
Zurück auf der Medientribüne widme ich mich wieder den Debatten im Rat. Gesprochen wird von «abstrakter Normenkontrolle», von einem «Zustimmungserfordernis» und «Verfahrenseinbezug». Kurz denke ich mir, dass das Menschen in noblen Kleidern sind, die Wörter benutzen, die ich nicht verstehe. Spricht das gegen mich oder die Politik? Doch nach und nach verstehe ich ein bisschen besser, komme hinein. Erst ins Ratsstübli, dann in die Debatten.