Glosse
Der Kanton St.Gallen ist «einer für alle»: Ein neues Motto direkt aus der Mottenkiste

Der Kanton St.Gallen hat einen neuen Slogan. Die SP behauptet, sie habe ihn zuerst verwendet. Gut, dass Shakespeare das nicht mehr erleben muss.

Adrian Vögele
Drucken
Frische Grafik, abgegriffener Slogan: Das neue Label des Kantons St.Gallen.

Frische Grafik, abgegriffener Slogan: Das neue Label des Kantons St.Gallen.

Bild: Adrian Vögele

Ein farbiges Kantonswappen ist heutzutage nicht mehr genug. Ein anständiges Staatswesen, das im permanenten Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern bestehen will, braucht einen süffigen Slogan. Davon scheint jedenfalls die St.Galler Regierung überzeugt zu sein. Schon vor 20 Jahren hat sie dem Kanton den Wahlspruch «St.Gallen kann es» verliehen.

Ob dieses Label etwas bewirkt hat, ist schwer zu sagen. Schliesslich kann der Kanton, im Gegensatz zu, sagen wir, einem Matratzenhersteller oder einer Autogarage, nicht einfach pleitegehen und verschwinden – auch falls die Kundschaft ihn nicht mag. Verdächtig oft wurde der Spruch allerdings zitiert, wenn in st.gallischen Gefilden gerade etwas schiefging. Können wir es wirklich?

Das neue Logo des Kantons St.Gallen.

Das neue Logo des Kantons St.Gallen.

Bild: PD

Ein Dauerbrenner seit 1594

Jetzt hat sich der Kanton dieses Mottos entledigt und führt ein neues ein: «Kanton St.Gallen – einer für alle», wird künftig in verschiedenen Farben auf Schriftstücken und anderswo zu sehen sein. Das Label spielt auf die sehr unterschiedlichen Regionen und die heterogene Gesellschaft im Kanton an. Dass die St.Gallerinnen und St.Galler nicht einfach von selber zusammenhalten, sondern immer mal wieder zu ihrem Glück gezwungen werden müssen, beweist zwar schon das Kantonswappen mit dem stramm verschnürten Rutenbündel, aber doppelt genäht hält wohl besser. 120’000 Franken kostet die Umgestaltung.

Grafisch mag das neue Label frisch wirken, inhaltlich kommt es direkt aus der Mottenkiste. «Einer für alle, alle für einen», das schrieb William Shakespeare schon im Jahr 1594. In den nächsten 250 Jahren sprach sich der Satz so weit herum, dass er im französischen Abenteuerroman «Die drei Musketiere» ebenso landete wie unter dem Wappen der Schweizerischen Eidgenossenschaft – bis heute ist das Motto in Latein an der Bundeshauskuppel zu lesen.

Auch die SP schreibt ab

Das hinderte den ehemaligen SP-Sekretär Daniel Hungerbühler am Dienstag allerdings nicht daran, auf Twitter fröhlich mitzuteilen, der Kanton St.Gallen habe den Spruch von Paul Rechsteiners alten Wahlplakaten abgekupfert. Parteiintern geht die Abschreiberei derweil munter weiter. Was steht in riesigen Buchstaben auf der Website des SP-Co-Präsidenten Cédric Wermuth? Einer für alle!

Mit anderen Worten: Das Motto hat schon reichlich Kilometer hinter sich. Im Vergleich zum früheren «St.Gallen kann es» hat es immerhin einen Vorteil: Es klingt mehr nach einer freundlichen Einladung gegen aussen und weniger nach ostschweizerischer Selbsthilfegruppe. Ob es dem Kanton was bringt, werden wir nie erfahren.

Mehr zum Thema