Gedankenstrich-Kolumne
Walter Hugentobler: Alles fährt Schii ...

Unser Kolumnist Walter Hugentobler ist auf sein Singbuch aus Primarschulzeiten gestossen. In seiner Kolumne sinniert er über deren Text und die Folgen davon.

Walter Hugentobler
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Walter Hugentobler, «Tagblatt»-Kolumnist.

Walter Hugentobler, «Tagblatt»-Kolumnist.

Bild: Reto Martin

«Alles fahrt Schii, Schii fahrt die ganzi Nation,
alles fahrt Schii, d‘Mamme, de Bappe, de Sohn.»

Einige werden sich jetzt fragen, was denn die Tochter in dieser Zeit treibt! Ich weiss es auch nicht.

Diese Woche sind im Thurgau jedenfalls Winterferien und so werden viele sich irgendwo in den Bergen tummeln. Und ehrlich gesagt, interessiert es mich nicht, wer sich denn mit dem «Gigi vo Arosa» vergnügt oder «wie ne Chue uff de Latte stoht». Vielmehr habe ich mich gefragt, wie denn solche Ohrwürmer oder auch Volkslieder unsere Vorstellungen prägen.

Ich sehe das Bild vor mir, wie die ganze Nation den Hang hinunterschwingt oder rutscht, obwohl ich genau weiss, dass längst nicht alle in der Schweiz Ski fahren.

Bei diesen Überlegungen ist mir mein «Schweizer Singbuch» aus der Primarschule in die Finger geraten.

Zumindest meine Generation wird sowohl bei «Alles fahrt Schii» als auch bei einigen anderen Liedern spontan und freudig einstimmen können!

«S’Schwyzerländli isch nu chli, aber schöner chönnts nid si. Gang id Wält, so wit du wit: schönri Ländli git's gar nid …» Haben wir lauthals gesungen, verinnerlicht und daran geglaubt: «Und au d'Lüt sind frisch und froh, d'Fryheit hends, wiä nienä so.» So haben wir das auswendig gelernt und in unsere kindliche DNA übernommen! So wurde unser Bild der Schweiz mitgeprägt, wir haben es immer wieder so besungen.

Und niemand hat widersprochen! Oder haben Sie je mit einer Lehrperson über den Auftritt der Helvetia «im Strahlenmeer» diskutiert? Bestimmt nicht, aber textsicher auswendig lernen, den Mund beim Singen weit aufmachen und den richtigen Ton treffen, das wurde Ihnen zweifellos schulmeisterlich vermittelt.

«Ade, bin i luschtig gsi
und ade bi de Lüüte.
Und wer mer's nid verträge mag,
der söll mers grad verbüte.
Zigeräfisch und was guet isch,
und Schottä a dä Zähnä.
Und went ä bitzli hübscher bisch,
so muesch di gar nid mäne!»

Welch fröhliches, ausgelassenes Völklein, da wird gefeiert, lustige Menschen, die geniessen und sich von vordergründiger Schönheit nicht blenden lassen. Da will man doch auch dazugehören!

Und schon als Kind habe ich auch im Gesangsunterricht bestätigt bekommen, wie stark und eigenständig Frauen sind und wie tölpelhaft Männer sich bewegen:

«Es wott es Fraueli z'Märit ga,
wott de Ma deheime lah.
Los Hans, du muesch diheime blibe,
muesch de Hüehner d’Eier griffe.
Im Ofe sind sächs grossi Chueche,
muesch mir ou zu dene luege.
Am Abe, wos isch sächsi gsi,
si die Chueche gfrässe gsi.
Und wo das Fraueli hei isch cho,
Ma, wo hesch mir d’Chueche, wo?
Und händ die Hüehner alli gleit?
De Güggel het sys Ei verleit!
Da nimmt sie de Hans bim Bärtli
und rüert ne use ids Gärtli.»

Auch über Familienzusammenhalt, gemeinsames Schaffen und Solidarität habe ich schon in dieser Zeit viel gelernt und freudestrahlend besungen:

«S‘Ramseyers wei ga grase.
Wohl uf e Gümligebärg.
Der Eltischt geit a d′Stange.
Die angere hingedry.»

Die Perle unter den mich prägenden Liedern, gerne gebe ich sie allen mit, ob in den Bergen oder zu Hause:

«O Thurgau, du Heimat, wie bist du so schön!
Dir schmücket der Sommer die Täler und Höhn!»

«Drum, Thurgau, nimm hin noch den schwellenden Gruss,
nimm hin von den Lippen den glühenden Kuss,
und bleibe in Eintracht und Liebe vereint,
dann ewig die Sonne des Friedens dir scheint.»

Walter Hugentobler ist Thurgauer SP-Urgestein und Direktor des Klosters Fischingen. Er schreibt diese Kolumne immer montags im Turnus mit Toni Brunner, Ulrike Landfester und Carla Maurer.