Der Kopftuchstreit in St. Margrethen wird ein Fall für das Bundesgericht. Der Schulrat zieht das Urteil des kantonalen Verwaltungsgerichts weiter. Laut diesem darf das bosnische Mädchen das Kopftuch im Unterricht tragen.
ST. MARGRETHEN. Der Rechtsstreit der Schule St. Margrethen mit einer bosnischen Familie um das Tragen des Kopftuchs im Unterricht geht in die nächste Runde. Der Schulrat akzeptiert den Entscheid des kantonalen Verwaltungsgerichts nicht. Das Gericht befand, das Kopftuchverbot sei in diesem Fall unverhältnismässig – das bosnische Mädchen dürfe weiterhin mit Kopftuch zur Schule.
«Wir haben das Urteil von unserem Anwalt analysieren lassen und beschlossen, den Entscheid weiterzuziehen», sagt Schulratspräsident Roger Trösch auf Anfrage. Die Beschwerde wird in den nächsten Tagen eingereicht. Das Verwaltungsgericht habe mehrere Argumente zu wenig gewichtet, heisst es in einer Mitteilung des Schulrates. Uneinigkeit besteht zum Beispiel darüber, ob das islamische Kopftuch an der Schule ein Integrationshindernis darstellt oder nicht. Das Verwaltungsgericht sah hierfür im vorliegenden Fall keine Anzeichen, wie es in der Kurzbegründung seines Urteils festhielt – «dies im Gegensatz zu der vom Gericht ausdrücklich nicht gebilligten Verweigerung der Teilnahme an verschiedenen schulischen Aktivitäten und Anlässen, welche aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist».
Nach Ansicht des Schulrates lassen sich die beiden Fragen nicht einfach trennen. «Die Verweigerung gegenüber verschiedenen Aktivitäten und Anlässen ist die Folge einer fundamentalistischen islamischen Gesinnung. Das Tragen des Kopftuchs im Kindesalter wiederum ist ein Symbol für diese Gesinnung», sagt Roger Trösch. Bereits das Zurschaustellen dieses Symbols erschwere das Aufeinander-Zugehen und die Integration von Kindern aus Migrationsfamilien. «Dies stellen wir im Schulalltag fest.» Grössere Konflikte in diesem Zusammenhang habe es an der Schule bisher zwar nicht gegeben, sagt Trösch. «Dies aber auch deshalb, weil wir bisweilen eingegriffen und Diskussionen rechtzeitig beendet haben.»
Das Verwaltungsgericht hatte befunden, dass ein Kopftuchverbot dann erwogen werden dürfte, «wenn sich eine ernsthafte Gefährdung des Religionsfriedens abzeichnen sollte». Solange lediglich vereinzelte Schülerinnen islamischen Glaubens das Kopftuch tragen würden, sei eine solche Gefährdung nicht erkennbar.
Der Schulrat schreibt, die Religionsfreiheit sei «selbstverständlich» zu respektieren. Jedoch finde diese ihre Grenzen insbesondere dort, «wo durch die Ausübung der eigenen Religion die Integrationsbemühungen torpediert werden, indem die Regeln der eigenen Religion über die Schweizer Rechtsordnung wie auch über die Freiheitsrechte von Mitschülerinnen und Mitschülern gestellt werden». Diese «falsch verstandene Toleranz» sei in den Augen des Schulrates «dem Religionsfrieden im äusserst sensiblen sozialen Umfeld Schule auf Dauer nicht förderlich».
Wie die Chancen auf eine Gutheissung des Verbots durch das Bundesgericht stünden, sei schwer abzuschätzen, sagt Trösch. Doch der Gang nach Lausanne lohne sich ohnehin. «Wir wollen, dass in dieser Sache Rechtssicherheit hergestellt wird.» Bisher sei dazu kein Grundsatzentscheid gefallen.
Zwar gab es einen ähnlichen Streit bereits in Bürglen: 2013 entschied das Bundesgericht zugunsten zweier moslemischer Mädchen, die mit Kopftuch zur Schule gehen wollten. Die Richter hielten aber lediglich fest, dass ein Kopftuchverbot allein auf Basis der Schulordnung und ohne Rückendeckung des Kantons Thurgau nicht zulässig sei. Im Gegensatz dazu basiert das Verbot an der Schule St. Margrethen auf einer Empfehlung des Kantons St. Gallen.