Mysteriöser Fluglärm gar nicht so mysteriös

Für die nächtlichen Motorengeräusche über der Linthebene könnten zwei Propellermaschinen einer deutschen Gesellschaft verantwortlich sein.

Ruben Schönenberger Christof Krapf
Drucken

Seit Wochen geben nächtliche Propellergeräusche über der Linthebene Rätsel auf. In den frühen Morgenstunden des 18. und 20. Oktobers sollen Propellerflugzeuge gut hörbar das Gebiet überflogen haben. Bisher konnte sich die Geräusche jedoch niemand erklären. In der fraglichen Zeit seien keine Flugzeuge über dem Gebiet unterwegs gewesen, hiess es von allen Seiten (Ausgabe vom 23. November). Die Gerüchte schossen ins Kraut. Geheime Nato-Übungsflüge, Fluggesellschaften, die sich Überfluggebühren sparen wollen, oder gar Überflüge von nicht zugelassenen Flugzeugen waren nur einige der vermuteten Gründe.

Die Erklärung könnte nun allerdings bedeutend einfacher sein. Recherchen unserer Zeitung haben ergeben, dass in den beiden fraglichen Nächten tatsächlich eine Propellermaschine über die Linthebene geflogen ist. Dabei handelte es sich um zwei verschiedene Typen einer Dornier 228 der Firma Business Wings mit der Kennung D-CULT beziehungsweise D-IROL, die von Bologna nach Mannheim mit der Flugnummer JMP803 unterwegs waren. Diese Maschine unterscheidet sich von der Antonov AN-12, die bisher als Lärmquelle vermutet wurde und in einem anderen Fall vom 12. November auch tatsächlich die Ursache war. Die AN-12 ist beispielsweise mit einer Spannweite von 38 Metern mehr als doppelt so gross wie die DO-228 mit einer Spannweite von knapp 17 Metern.

Die beiden Flugzeugtypen haben allerdings die Linthebene in den fraglichen Nächten auf unterschiedlichen Höhen überquert. Während die AN-12 am 12. November in einer Höhe von ungefähr 24 000 Fuss (7315 Meter) die Schweiz überquerte, taten die beiden Dornier-Maschinen das bloss auf 14 000 Fuss (4267 Meter). Es ist daher möglich, dass die Motorengeräusche der beiden Flugzeugtypen am Boden nicht mehr zu unterscheiden waren. «Es ist durchaus möglich, dass die beiden Maschinen am Boden ähnlich klingen», sagt Aviatik-Experte Hansjörg Bürgi vom Fachmagazin «SkyNews.ch». Er schenkt den wilden Gerüchten und Spekulationen über die Überflüge keinen Glauben. «Das waren reguläre Flüge. Der Schweizer Luftraum wird sehr gut kontrolliert.»

Richtung ist kaum zu bestimmen

Anwohner hatten erzählt, dass alle fraglichen Flüge auf Südkurs unterwegs waren – die beiden DO-228 flogen allerdings Richtung Norden. Gemäss Bürgi ist es in der Nacht allerdings kaum zu eruieren, in welche Richtung sich ein Flugzeug bewegt. Das hügelige Gelände rund um den Ort des Geschehens dürfte auch dazu beigetragen haben. «Es spielen so viele Faktoren wie Wetter, Gelände und Wind eine Rolle. Deshalb ist es in der Nacht schwierig zu erkennen, in welche Richtung ein Flugzeug fliegt», so Bürgi.

Neben dem anderen Flugzeugtyp hat auch die Flugzeit vermutlich dazu geführt, dass die beiden Flüge bisher nicht als Erklärung für die mysteriösen Geräusche herangezogen wurden. Vermutet wurde ein Überflug um etwa 3.30 Uhr beziehungsweise 4 Uhr. Die beiden Dornier-Maschinen befanden sich in den fraglichen Nächten jedoch erst um 4.30 Uhr über der Linthebene. Was dennoch dafür spricht, dass es sich bei diesen beiden Maschinen um die Lärmquelle handelt: Nur in den beiden fraglichen Nächten vom 18. und 20. Oktober überflogen diese das Gebiet bereits so früh in den Morgenstunden. An verschiedensten anderen Daten flog die Firma Business Wings die gleiche Strecke.

Alleine die Maschine mit der Kennung D-CULT flog im Oktober und November über 30mal die Strecke Bologna–Mannheim und zurück. In der Regel startet die Maschine jedoch erst um 4.30 Uhr in Bologna und überquert das Linthgebiet dann um 5.30 Uhr. Um diese Zeit dürften die Propellergeräusche bereits bedeutend weniger auffallen. Jens Maecker, Geschäftsführer von Business Wings, will sich auf Anfrage nicht zu den Flügen äussern.