Das Dorf besitzt eine grosse Anlage für altersgerechtes Wohnen. Das einst vielfältige Angebot schrumpft dort zusehends. Das ist symptomatisch für die Entwicklung im Ort. Nun besteht aber Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation.
In der Chürzi wird alles gekürzt. Vom einstigen Grossprojekt für altersgerechtes und genossenschaftliches Wohnen mit Begegnungsraum, Café, Spitexzimmer und Bibliothek ist nichts mehr übrig. Das Café ist geschlossen, das Spitexzimmer gibt es schon lange nicht mehr und vor drei Monaten ist als letztes die Bibliothek ausgezogen.
Die genossenschaftlichen Wohnungen sind wohl noch vorhanden, mit «altersgerecht» will die Organisation aber nicht mehr werben und hat ihren Namen geändert. «Es hat abgeschreckt. Einige Wohnungen standen leer. Seit wir den Namen geändert haben und ein durchmischtes Klientel ansprechen, sind wir wieder besser ausgelastet», sagt Gennaro Fallo, Präsident des Vorstandes der GAW Wohnen im Park.
Zudem gebe es ab 2021 keine WEG-Subventionen vom Bund mehr (siehe Kasten). Die Mieter der Wohnungen im Chürzi-Areal müssen dann die volle Miete von rund 1000 Franken für die 2-Zimmer-Wohnungen bezahlen. «Für die Zukunft ist es wichtig, dass wir jetzt schon auf der Suche nach Mietern sind, die das bezahlen können.»
Vor rund 25 Jahren wurde die Interessengemeinschaft für Alterswohnen in Wigoltingen gegründet. «Wir wollten, dass die Wigoltinger auch im Alter im Dorf wohnen können», erzählt Peter Schütz, erster Verwaltungsratspräsident der Genossenschaft altersgerechtes Wohnen (GAW).Der Park rund um die Villa Fleig bot sich an dafür. Es entstanden 17 altersgerechte und rollstuhlgängige Wohnungen mit Spitexzimmer, sowie drei Eigentumswohnungen und einem Begegnungsraum und Café in der Villa. Die Anlage wurde vom Bund mit Mitteln aus dem Wohnbau- und Eigentümerförderungsgesetz (WEG) mitfinanziert. Das vergünstigt die Mieten. «Die Anlage sollte den Einwohner als Gesamtkonzept dienen», sagt Schütz. (sba)
Wigoltingen sei längst nicht mehr der ideale Ort für ältere Personen, bedauert Fallo. «Ohne Auto ist es hier schwierig. Zum Glück haben wir den Volg noch. Restaurants, Post oder Bank sind verschwunden.»
Die Entwicklung des Chürzi Areal ist symptomatisch für das Dorf. In den vergangenen Jahren gab es einen Bevölkerungszuwachs – das Dorfleben aber verschwindet je länger je mehr. Wigoltingen ist ein gespaltenes Dorf, erzählt Gemeinderätin Daniela Müller:
«Es gibt die Alteingesessenen, welche die zahlreichen Angebote vermissen und die vielen Neuzuzüger, die sich gegen aussen orientieren. Sie wohnen nur hier – das wichtigste für sie ist der Autobahnanschluss, nicht das Dorfleben.»
Das hat auch die Gemeindebibliothek zu spüren bekommen. «Wir konnten die Bibliothek in der Chürzi nicht mehr finanzieren», sagt Gemeinderätin Daniela Müller. Der Mitgliederschwund sei Schuld daran. In verkleinerter Form ist sie nun seit drei Monaten als Hol-Bring Bibliothek im Gemeindehaus untergebracht.
Keine Bibliothekarinnen mehr, keine Sachbücher, nur noch einmal die Woche geöffnet, so fristet sie ihr Dasein. «Mittlerweile wird das Angebot recht gut genutzt», sagt Müller
Der Rückgang des Angebot steht aber auch in Wechselwirkung mit dem Chürzi-Areal. Ursprünglich gebaut, damit die Wigoltinger länger in ihrem Dorf leben können, ist der Ort heute nicht mehr attraktiv genug. Gennaro Fallo sagt:
«Wer nicht mehr Auto fahren kann, ist handicapiert. Es gibt keine Post oder Bank mehr, wo man früher ein Schwätzchen hielt. Restaurants fehlen. Die Menschen ziehen heute direkt aus dem Haus ins Pflegeheim.»
Das seien alles Gründe, weshalb der ursprüngliche Sinn der Anlage, ein Zuhause im Dorf für Ältere, heute nicht mehr zieht. Ein weiterer Knackpunkt ist das Café Chürzi. Hier konnten früher die Bewohner der Alterswohnungen etwas Essen oder am Nachmittag einen Café trinken. Auch für die Bevölkerung stand das Café offen. Nun ist es seit längerem geschlossen.
Das bedauert die Gemeinderätin. Sie ist auch Mitglied im Museumsverein, welcher als einziges kulturelles Überbleibsel seine Räumlichkeiten im Untergeschoss der Villa Fleig hat. «Dass das Café Chürzi geschlossen ist, ist sehr schade. Nicht nur für uns, auch für die anderen Vereine», sagt Müller.
«Das Problem waren die vielen Pächterwechsel und die zu kurzen Öffnungszeiten», erzählt Fallo. Früher hatte das Restaurant nur bis sieben Uhr abends geöffnet. «Wir haben auf die Bewohner der Eigentumswohnungen in der Villa Rücksicht genommen, das sind natürlich schwierige Voraussetzungen für ein Restaurant», erzählt er.
Nun zeigt sich jedoch ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Von den schlechten Erfahrungen mit den zahlreichen Pächtern entmutigt, wollte Fallo das Café in eine Wohnung umbauen. Doch der Museumsverein und der Verwaltungsrat wehrten sich. «Wir haben uns mit der Pächtersuche Zeit gelassen. Ich wollte diesmal die richtige Person finden.» Es sei nun aber auf gutem Wege, dass das Restaurant bald wieder das Dorf bereichert.
Neu soll es wie ein normales Restaurant auch abends lange geöffnet haben. «Bei den Eigentumswohnungen gab es Wechsel, respektive, zwei Wohnungen stehen derzeit leer. Die neuen Mieter wissen ja, dass hier ein Restaurant drin ist. Mit Öffnungszeiten bis zehn Uhr oder länger.» Aber der Präsident hält auch ganz klar fest: Es ist die letzte Chance.
«Wenn es wieder in die Hose geht, dann wird’s schwierig.»