Nötigung und Vergewaltigung der Partnerin: 42-Jähriger muss sich vor Kreuzlinger Bezirksgericht verantworten

Ein schwerer Fall von sexueller häuslicher Gewalt: Ein ehemaliger Spitzensportler soll die Mutter seiner beiden Kinder monatelang drangsaliert und schliesslich sogar mehrmals vergewaltigt haben.

Peter Exinger
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Der Prozess fand am Bezirksgericht Kreuzlingen statt.

Der Prozess fand am Bezirksgericht Kreuzlingen statt.

Bild: Donato Caspari

«Ich sage nichts dazu.» Das ist das Einzige, was der Angeklagte vor dem Kreuzlinger Bezirksgericht am Dienstag zu sagen hat. Und noch einmal und immer wieder: «Ich sage nichts dazu.» Sein Verteidiger gibt für ihn Auskunft: Ja, er habe seine Frau laut angeschrien. Ja, er habe seine Frau festgehalten.

Deswegen aber steht der schwarzhaarige Mann mit Mittelscheitel, das ehemalige Mitglied einer Mannschaft in der obersten Schweizer Liga, nicht vor Gericht. Sondern unter anderem auch wegen Körperverletzung, Nötigung, Vergewaltigung – alles begangen an seiner langjährigen Partnerin, mit der er zwei Kinder hat, die beide im schulpflichtigen Alter sind.

Sie wollte nur ein glückliches Leben

Das Gericht steht vor den Trümmern einer Schweizer Familie. Vor den Trümmern einer Beziehung. Das will aber nur das mutmassliche Vergewaltigungsopfer indirekt so ausdrücken. Warum sie so lange zu den Vorkommnissen geschwiegen habe, fragt der Berufsrichter. Sie fürchtete: «Man wird mir nicht glauben.»

Sie hätte nur ein «glückliches Leben, für mich und meine Kinder» gewollt. Es habe lange gedauert – vielleicht zu lange. Alles endete schliesslich im Desaster. Und jetzt vor Gericht. Die 42-jährige blonde Frau mit einem nachlässig gebunden Zopf sagt:

«Das ist erniedrigend. Ich sitze hier wie nackt vor ihnen. Ich will das nicht.»

Sie leitet ihr eigenes kleines Unternehmen mit einem Ladenlokal. Körperlich musste sie ihrem Mann unterlegen gewesen sein. Fast um Haupteslänge überragt er sie. Hat lange Arme, grosse Hände und noch immer ahnt man verborgen unter dem Hemd einen athletischen Oberkörper.

«Sein Blick … das war nicht mehr gut»

Dezember 2016, wenige Tage vor Weihnachten war das Mass für die Privatklägerin nach einem weiteren seiner Ausraster voll. Ein Streit zwischen Tochter und Vater stand kurz vor der Eskalation. Sie ging dazwischen. Und schildert vor Gericht: «Mit seinem Blick … das war nicht mehr gut.»

Was folgte, war nach ihrer Darstellung eine Vergewaltigung auf ihrem Bett. Mit Würgen. Und blauen Flecken. Dann die Anzeige via Notruf. Hausdurchsuchung. 74 Tage Untersuchungshaft für ihn.

Zu diesem Zeitpunkt hat das Paar bereits getrennte Schlafzimmer im gemeinsamen Haus. Er ging in psychiatrische Behandlung, eben «um seine Emotionen besser in den Griff zu bekommen», wie sein Anwalt sagt. Er muss sogar Psychopharmaka nehmen. «Nur nützten die nicht viel», sagt sie.

Ihre Nöte in der Beziehung, ein blutig herausgerissener Ohrring etwa, zerren, gegen die Wand drücken, in die Badewanne schubsen und stossen, sexuelle Zudringlichkeiten, versuchte Vergewaltigungen – all das hatte sie niemanden bis dahin gesagt. Nichts davon offen gelegt. Damit das Familienidyll gewahrt bleibt. Für die Vorfälle fordert die Staatsanwältin 5 Jahre Haft. Und 40'000 Franken Genugtuung.

Seine Methode heisst: Victim-blaming

Der Anwalt des Angeklagten fordert einen Freispruch auf ganzer Linie. Er versucht der Frau Lügen nachzuweisen, ihre Erzählungen über die Vergewaltigungen im Kern zu erschüttern, Widersprüche aufzudecken – und behauptet sie sei nur hinter seinem Lohn her gewesen. Der Haushälfte. Er weiss, es ist eine altbekannte Methode. Er benennt sie selbst vor Gericht: Sie heisst victim-blaming – also Täter-Opfer-Umkehr, das Opfer blossstellen.

Das sagt der Anwalt auch: Der Angeklagte lebt mit Existenzminimum auf freiem Fuss, habe aber seine Familie verloren, seinen Alltag mit den Kindern, er ist eine Unterhaltsmaschine geworden – er kämpft um Ehre und Ruf – «er will nicht als Sexmonster oder Grüsel verschrien sein.» Das Urteil erfolgt schriftlich.