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Als Beispiel für derzeit viele Sportclubs im Thurgau steht der NLA-Volleyballclub vor einer unsicheren Zukunft, was das Sponsoring betrifft. In der Krise macht sich Demut breit.
Normalerweise wäre Kurt Wick jetzt am Klinken putzen. Nicht richtig mit Desinfektionsmittel und so, sondern im übertragenen Sinn als Sponsoring-Verantwortlicher von Volley Amriswil. Wicks Fronarbeit im Dienste des NLA-Clubs ist essenziell, um das jährliche Budget des Cupsiegers von rund 700000 Franken sicherzustellen. Auf Grund der Coronakrise hält sich der Vizepräsident nun aber zurück – gezwungenermassen. «In dieser Zeit Sponsoren anzugehen, ist schwierig», sagt Wick. Auch wenn es für Volley Amriswil im Hinblick auf die Saison 2020/21 nötig wäre.
Der Sport im Allgemeinen befindet sich in einer Schockstarre, in der Bangen und Hoffen vorherrschen. Hoffen, dass es möglichst rasch wieder weitergehe. Und bangen um die Finanzkraft der zahlreichen Sponsoren. Denn selbst bei laufenden Verträgen ist nicht mehr sicher, ob die noch eingehalten werden können. Amriswils Vizepräsident Wick: «Was machst du als Verein, wenn ein Sponsor einen Teil seiner Belegschaft entlassen musste und schlicht nicht mehr zahlen kann? Sollen wir ihn dann einklagen, weil er den Vertrag nicht einhält?»
Die Coronakrise macht Wick demütig – besonders in seiner Funktion als Amriswils Sponsoring-Verantwortlicher. «Diese Zeiten lehren dich, noch dankbarer um jeden Sponsor zu sein als sonst schon», sagt der Vizepräsident, der mit seiner Fleischmanufaktur in Frauenfeld bei mehreren Clubs auch Geldgeber ist. Der Kontakt zu den Sponsoren reisse auch in dieser schwierigen Zeit nicht ab, so Wick. «Und wir von Volley Amriswil spüren derzeit eine grosse Solidarität.» Dies vor allem bezüglich der abgebrochenen Saison 2019/20, in der die Sponsoren und Saisonkarteninhaber bislang keine Rückforderungen stellten, obwohl sie wegen des wegfallenden Playoffs durchaus Grund dazu hätten.
Voraussichtlich im Mai oder Juni will Volley Amriswil eine neue Lagebeurteilung machen, wie es im Sponsoring des ambitionierten NLA-Clubs aussieht. Die Stärke des Vereins, im Thurgau so breit abgestützt zu sein, könnte nun zum Stolperstein werden. «Wir leben überwiegend von kleinen Unternehmen», sagt Vizepräsident Wick. Und gerade hier stellen sich die Fragen: Kann der Coiffeursalon nächste Saison noch 2000 Franken beisteuern? Und der lokale Blumenladen? «Es ist so schwierig, die Situation zu beurteilen», sagt Wick. «Wenn wir grosses Glück haben, kommen wir alle mit einem blauen Auge davon.»
Enttäuscht ist Wick vom Stellenwert, den der Sport in der Coronakrise einnimmt. «Die sogenannt wichtigste Nebensache der Welt wird in der öffentlichen Wahrnehmung zur unwichtigsten Nebensache degradiert.» Dabei werde unterschätzt, wie wichtig der Sport für die Gesellschaft sei. «Eigentlich müssten sich die Vereine sportübergreifend solidarisieren, um unseren Stellenwert für eine gesunde Gesellschaft und einen gesunden Geist hervorzuheben.» Hocherfreut war Wick über die zusätzliche Finanzspritze von fünf Millionen Franken aus dem Lotteriefonds, welche die Kantonsregierung dem Thurgauer Sport in Aussicht stellt. Das Paket wurde geschnürt, weil der Regierungsrat der Ansicht ist, der Thurgauer Sport werde mit seinen Randsportarten eher weniger Unterstützung durch den Bund erfahren. «Diese kantonale Unterstützung ist sehr grosszügig», sagt Wick. Denn auch wenn Clubs wie Volley Amriswil derzeit nicht in akuter finanzieller Not sind: Das Ausmass der Krise wird im Sport erst mit Verzögerung ersichtlich sein. Und dann könnten sich die Probleme so akzentuieren, dass es mit Klinken putzen alleine nicht mehr getan ist.
Wie andere Landesverbände entschied auch Swiss Volley, in der abgebrochenen Saison 2019/20 keinen Meister zu küren. Und weil die NLA-Saison Ende April ohnehin zu Ende gegangen wäre, stellt sich in dieser Sportart auch die Frage nach Kurzarbeit nicht so dringend. Denn im Volleyball sind die Verträge der Spieler und Trainer in der Regel auf acht Monate datiert, also genau so lange, wie die Saison dauert. Auch dann, wenn die Spieler oder Trainer weiterlaufende Verträge haben. Im Fall von Volley Amriswil werden die NLA-Spieler gemäss ihren Verträgen bis Ende April ausbezahlt, wie Geschäftsführer und Interimspräsident Peter Bär sagt. Und das, obwohl schon Anfang März der Spielbetrieb eingestellt worden ist. «Wir haben den Spielern versichert, dass jeder seinen Lohn erhalten wird, der ihm gemäss Vertrag zusteht.» Das sei Ehrensache und auch deshalb wichtig, um den Ruf der Topadresse im Schweizer Volleyball nicht aufs Spiel zu setzen, so Bär. Bei Volley Amriswil werden ligaweit nicht die höchsten Löhne bezahlt, doch was abgemacht ist, wird eingehalten – selbst in der Krise. Bär sagt, man habe mit den Spielern früh geredet, damit die ausländischen Profis unter ihnen keine Zeit verlieren, um in ihre Heimat zurückzureisen. «Das war nicht in jedem Fall ganz einfach, weil teilweise schon Grenzen geschlossen waren», sagt Geschäftsführer Bär. Mittlerweile seien aber alle Ausländer zu Hause und gesund. Wie viele von ihnen auch nächste Saison für Amriswil spielen werden, steht indes in den Sternen. (mat)