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Ostschweiz
Arbon, Kreuzlingen, Weinfelden
Ohne mehr Attraktionen würden Menschen nicht zu Kunden. Auf Einladung der Stadt erklärte Rageth Clavadetscher den Kreuzlinger Gewerbetreibenden, wie Detailhandel heute funktioniert.
«Ich hab's mir schlimmer vorgestellt.»
Rageth Clavadetscher, Geschäftsführer des Glattzentrums in Wallisellen, machte den Zuhörern zu Beginn seines Referats im Trösch durchaus Mut. Er sei extra eineinhalb Stunden zu früh angereist, um sich in Kreuzlingen umzuschauen. Der 50-Jährige ist hier aufgewachsen und hatte zunächst eine Lehre als Verkäufer absolviert, bevor er an der HSG studierte. Er kennt die Stadt also.
«Banken hatten wir hier immer schon, aber dass es nun vor allem Immobilienmakler und Telekommunikationsketten an der Haupteinkaufsstrasse gibt, ist schon auffallend.»
Ein Shopping-Paradies werde Kreuzlingen so nicht. Das sei im Glattzentrum anders: «Wir haben vergangenes Jahr trotz Corona einen Umsatz von rund 532 Millionen Franken geschafft, hatten über acht Millionen Besucher und 11'800 Franken Umsatz pro Quadratmeter. In Kreuzlingen gibt es wohl nicht viele Detailhändler, die diese Produktivität erreichen.»
Der Experte sieht den Detailhandel vor drei Herausforderungen stehen: die Abwanderung der Kunden zum Onlinehandel, die Margenerosion durch immer neue Rabattschlachten und den Einkaufstourismus. «Wenn man aber den Kunden einen Mehrwert bietet, dann kann man sie halten», ist er überzeugt. Zu dem Zweck empfiehlt er, über Geschichten eine emotionale Bindung aufzubauen und ein attraktives Einkaufserlebnis zu bieten.
«Die Menschen wollen das Drumherum, nicht das asoziale Internet-Shoppen.»
Man müsse heute Entertainment bieten, um zu verkaufen. Rageth Clavadetscher erzählt von Erfolgen, die er bei der Vermarktung des Glattzentrums mit Hilfe von Internetstars erzielt hat. «Wir haben zum Beispiel einen Bubble-Tea von einer Influencerin designen lassen. Sie postete das auf ihrem Account. Und innerhalb von wenigen Stunden war alles ausverkauft.» Ob sich das auf Kreuzlingen übertragen liesse? Welcher Influencer Teenies auf dem Boulevard zum Kreischen bringen könnte, blieb an diesem Abend noch offen. Clavadetscher rät:
«Geht in die sozialen Medien und seht euch dort um.»
Einfacher zu übernehmen wären die «Retail Labs». Als in seinem Zentrum eine Fläche frei wurde, vergab sie der Manager nicht an einen weiteren Mieter, sondern liess sie mit einfachen Mitteln als Laden ausrüsten, inklusive improvisierter Kleiderstangen und Bezahlterminal. «Jeden Monat laden wir neue Geschäftsleute mit frischen Ideen ein, sich dort zu präsentieren. Wir bieten die Infrastruktur, und der Jungunternehmer muss sich um nichts kümmern als um die Vermarktung seiner Ware.» Das sei explizit keine Zwischennutzung, sondern eine Möglichkeit, das Einkaufszentrum attraktiv zu halten, weil es eben immer etwas Neues gäbe. «Super interessant», kommentierte Stadtpräsident Niederberger. «Wir könnten ja auch einen Laden mieten und ihn zur Verfügung stellen.» Clavadetscher warnt, Schoggi und Shampoo reichten nicht.
«Es müssen schon coole Brands sein, sonst ist es gestorben.»
Was die Stadt bereits geschafft hat, um das Zentrum zu beleben, berichteten Thomas Niederberger und die Leiterin des Stadtmarketings Martina Eggenberger im Anschluss an das Referat. Das Co-Working-Projekt sei so gut angelaufen, dass man es im Juli an die Geschäftsleitung der Bodan AG, also an Urban und Claudia Ruckstuhl, in private Hände übergeben könne.
Im Sommer starte überdies ein bequemer Veloverleih, der sowohl E-Bikes als auch konventionelle Fahrräder an 15 Standorten zur Verfügung stelle. Das Projekt ist als dreijähriger Versuch anlegt. Die Idee, einen Velo-Heimlieferdienst und einen Recyclinggut-Abholdienst ins Leben zu rufen, hakt noch, obwohl die Stadt auch hier eine Anschubfinanzierung in Aussicht stellt. Clavadetschers Forderung, über Events Kunden anzuziehen, kommt Kreuzlingen nach: Am 30. April wird es nach drei Jahren Pause wieder einen Gartentag mit vierzig Ausstellern auf dem Boulevard geben. Und der kleine Wochenmarkt am Samstag soll aufgewertet werden. «Vielleicht könnte man ihn im Zusammenhang mit dem Flohmarkt vergrössern», so Niederberger. «Dann bräuchte es aber mehr Gewerbetreibende, die mitmachen.»