Der Präsident des Thurgauer Gewerkschaftsbundes will Firmen, die etwa wegen Mindestlohnunterschreitungen oder Arbeitszeitverletzungen in Konflikt geraten, bei Arbeitsvergaben konsequent abstrafen. Auch die Landwirtschaft nimmt er ins Visier.
Bei Lukas Auer klingelt das Telefon oft. Der Präsident des Thurgauer Gewerkschaftsbundes führt viele Rechtsberatungen. Meist geht es um Geld. Jedes zweite Telefon oder Mail beginne damit, dass ein Arbeitgeber seiner Mitarbeiterin oder seinem Mitarbeiter den Lohn nicht mehr bezahle, sagt Auer.
Am Dienstag berichteten Gewerkschafter von ihrem Kampf für bessere Arbeitsbedingungen. Der Thurgauer Gewerkschaftsbund hat dafür in die Malerfirma Frenicolor nach Arbon eingeladen. Auer lobte den Betrieb. Hier seien der Gewerkschaft noch nie Missstände auf Kosten der Belegschaft aufgefallen.
Das sei nicht selbstverständlich, wie die vielen Anrufe bei der Rechtsberatung des Gewerkschaftsbundes zeigten. Der Trend zeige in eine falsche Richtung. 2021 fanden im Thurgau 1073 Rechtsberatungen statt. Im vergangenen Jahr ist die Zahl auf 1201 angestiegen. Augenfällig seien die Zunahmen von Beratungsgesprächen in den Sektoren Bau und Landwirtschaft, sagt Auer.
Der Arboner gibt sich kämpferisch. «Wir wollen nur noch anständige Betriebe, die Löhne richtig bezahlen und das Arbeitsgesetz oder den Gesamtarbeitsvertrag respektieren.» In der Pflicht sei auch die öffentliche Hand. Sie soll bei Arbeitsvergaben konsequent Firmen bevorzugen, die sich vorbildlich verhalten, in denen niemals etwa Mindestlohnunterschreitungen oder Arbeitszeitverletzungen angeprangert werden mussten. Eine entsprechende Liste soll nicht nur geführt, sondern auch laufend überarbeitet und aktualisiert werden, sagt Auer.
Auch die Bauern stehen im Fokus des Gewerkschafters. Mit der Thurgauer Landwirtschaft will er das Thema im Herbst an einem Podium ansprechen. «Hier werden die Mindestlohnempfehlungen des Schweizer Bauernverbandes unterschritten», sagt Auer. «Im Thurgau arbeiten Erntehelfer für 13.90 Franken pro Stunde.»
Im kommenden Frühling soll in den Ostschweizer Kantonen das Thema genereller Mindestlohn erneut angegangen werden. Der Gewerkschaftsbund lanciere eine Petition, sagt Auer. Bei welchem Betrag der Mindestlohn angesetzt werden soll, sei aber noch ungewiss. Vor rund drei Jahren scheiterte im Thurgauer Kantonsparlament letztmals der Versuch, einen kantonalen Mindestlohn einzuführen. Angepeilt waren 22 Franken pro Stunde. Für die Landwirtschaft waren Ausnahmen vorgesehen.
Dass auf dem Arbeitsmarkt ein rauerer Wind weht, zeigt sich auch bei anderen Gewerkschaften. «Die Leute müssen wieder hinstehen für ihr Recht», sagt Dominik Dietrich von Syndicom und verkündet erfreut, dass die Mitgliederzahlen in seiner Gewerkschaft wieder ansteigen. Auch bei der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) sei der Mitgliederschwund derzeit gestoppt. Gewerkschaftssekretär Claude Meier erkennt deshalb «Licht am Horizont».
Der SEV sei derzeit in grösseren Verhandlungen mit Thurbo und den Appenzeller Bahnen, welche die Frauenfeld-Wil-Bahn übernommen haben. In beiden Unternehmen müsse das Lohnsystem überarbeitet werden.
Seit Jahren herrscht zwischen dem SEV und der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrt Funkstille. Die Spannungen gründeten auf dem Arbeitskonflikt im Zuge der Sanierung um das Jahr 2009. Zusammen mit dem Thurgauer Gewerkschaftsbund versuche man nun mit der neuen Geschäftsleitung ein konstruktives Gespräch zu führen, sagt Meier, «um in Zukunft eine sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit wieder zu ermöglichen».
Bei der Gewerkschaft Unia freut man sich über den Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrags für alle Standorte der Stadler Rail AG, wie Fatime Zekjiri erklärt. Im Gesundheitswesen seien die Probleme eines eklatanten Personalmangels hingegen auch nach Annahme der Pflegeinitiative nicht kleiner geworden.
Wie aus Zekjiris Aussagen hervorgeht, kämpft die Unia an diversen Fronten. Eine davon ist die Gastronomie. Nach der Pandemie hätten viele Angestellte der Branche den Rücken gekehrt. Es müssten die Löhne wie auch die Arbeitszeiten verbessert werden. «Viertagewoche, Abschaffung der sogenannten Zimmerstunde und einiges mehr sind hier die Themen, die wir bearbeiten.»