Thurgau
Mach es wie Gott und werde Mensch für andere Menschen

Die Weihnachtsbotschaft bleibt trotz Coronamassnahmen dieselbe – ein Gastbeitrag des katholischen Theologen Jürgen Bucher.

Jürgen Bucher
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Die Installation von Martin Creed leuchtet an einem romanischen Kirchturm in Köln.

Die Installation von Martin Creed leuchtet an einem romanischen Kirchturm in Köln.

PD

Fällt Weihnachten dieses Jahr faktisch schon wieder aus? Kann und darf das Fest der Feste – in dieser kalten Zeit – wegen der Covid-19-Pandemie wiederholt nur mit Sparflamme die Herzen und Gemüter der Menschen erwärmen?

Im Grunde kommt in unserem Kulturkreis niemand an diesem Fest der Weihnacht vorbei, egal zu welcher christlichen Konfession man gehört, praktizierend oder distanziert, egal, ob man einer anderen Weltreligion angehört oder sich als Konfessionsloser oder Atheist versteht.

Jürgen Bucher, katholischer Theologe.

Jürgen Bucher, katholischer Theologe.

Donato Caspari

Seit Ende Oktober sind in der Welt des Konsums und Shoppings die weihnachtlichen Produkte und Dekorationen unübersehbar. Die Pandemie schränkt das Weihnachtsfest ein. Doch ich befürchte, dass die Fangarme der Covid-Pandemie das Weihnachtsfest in all seiner Schönheit, Sinn und Bedeutsamkeit massiv einschränken, gerade auch weil die nötigen Erlasse durch die Regierung zwingend sind, um das kostbarste Gut in unserer Gesellschaft, die Menschen selbst, verantwortungsvoll zu schützen.

Ich sorge mich sehr um die Spaltungen in unserem Land und frage mich, welches das richtige Rezept gegen dieses Virus, gegen seine «umschlingenden Fangarme und gefährlich zupackenden Klauen» sein könnte. Ja, da gab es viele, denen wurde und wird viel «geklaut».

So viele ältere und alte Menschen, die ich persönlich und als Seelsorger kannte, sind durch diese «Klauen» frühzeitig, abrupt, plötzlich und einsam gestorben, ganz zu schweigen, von dem unersetzbaren Verlust, den die Hinterbliebenen seitdem zu verkraften haben.

Es gibt so vieles zu fürchten in dieser einen Welt: die Pandemie, das immer grössere Auseinanderdriften von Gesellschaftsgruppierungen und Milieus, die Klimaerwärmung, kriegerische Konflikte und daraus resultierende Fluchtbewegungen.

Leuchtende Botschaft neben dem Erlebnis-Bad

Ich möchte von einer Erfahrung berichten, die sich in meine Biografie und Leben tief eingeprägt hat, die quasi eine Gravur in mir hinterlassen hat. Ich durfte in der Vergangenheit für einige Jahre im Raum Köln in Deutschland leben. Ich erinnere mich an einen Tag, an welchem ich mit einem Kollegen das Kölner Agrippa-Erlebnis-Bad besuchte.

Auf der dortigen Dachterrasse weitet sich der Blick über die Stadt und auf den weltberühmten Dom. Auf der gegenüberliegenden Seite erblickte ich in unmittelbarer Nähe einen kleinen, alten, romanischen Kirchturm. Ich staunte, war verwirrt und irritiert zugleich. Was bekam ich da oben am Kirchturm mit Neonröhren in weissleuchtender Farbe zu sehen: DONT WORRY!

In mir klang der Song von Bobby McFerrin unvermittelt nach: … BE HAPPY! Was sollte das? Tags darauf, als ich den Ort besuchte, war auf den anderen Turmseiten in Latein, Griechisch und Deutsch zu lesen: SORGE DICH NICHT. Sofort kamen mir die Engel von Bethlehem in den Sinn. Alle Jahre wieder vernehmen wir die biblische Weihnachtsbotschaft, welche die Engel in jener Heiligen Nacht den Hirten verkünden: «Fürchtet euch nicht! … Heute ist euch der Retter geboren, er ist der Messias.»

Die Lichtinstallation des Londoner Künstlers Martin Creed leuchtet seine Botschaft in unsere dunkle Welt hinein, in all unsere Sorgen und Nöte, Befürchtungen und Ängste. Das bedeutet für das Fest Weihnachten aus meiner Sicht: An jedes menschliche Wesen ergeht die Botschaft: Don`’t worry! Sorge dich nicht! Fürchte dich nicht! Gott ist gegenwärtig.

Geboren in einem Kind begibt er sich mitten in unsere Dunkelheiten hinein. Später wird dieses Kind es uns als Erwachsener neu zusprechen: Sorge nicht ängstlich!

Sorge dich um das Wesentliche des menschlichen Daseins, sorge dich um eine ausgleichende Gerechtigkeit, nicht um die Fangarme von Äusserlichkeiten und Banalitäten.

Sorge dich nicht um deine alltägliche Performance, sondern mach es wie Gott und werde Mensch für andere Menschen, die in Dunkelheit und Angst leben. Gib der Hoffnung ein Gesicht. So wünsche ich allen Leser und Leserinnen: Gesegnete Weihnacht und don’t worry.