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Die Schweizer Meisterschaft der Bier-Sommeliers rückt näher. Mit dabei sind
zwei Frauen und drei Männer aus dem Thurgau. Sie sind in Theorie und Praxis gefordert. Die besten Sommeliers der Schweiz gehen nach Rimini an die Weltmeisterschaft.
Es ist nicht wie am Oktoberfest, wo gebechert wird. Hier steht das Bier als Genussmittel im Vordergrund. An der Schweizer Meisterschaft sollen die besten Biersommeliers der Nation gekürt werden.
Karin Patton nimmt dieses Jahr zum ersten Mal teil. Sie führt mit ihrem Mann die «Barfuss Brauerei» in Schönholzerswilen. Daher hat sie sich vor zwei Jahren dazu entschieden, sich zur Bier-Sommelière ausbilden zu lassen. Bier ist zu ihrem Leben geworden. «Vor etwa sieben Jahren habe ich dem Wein abgeschworen und trinke nun lieber ein Bier zum Essen», sagt die 42-Jährige.
Für sie bietet Bier weitaus mehr komplett verschiedene Geschmacksrichtungen als Wein. Persönlich zieht sie dunkle Biere vor. Ihr Motto: je dunkler, desto besser. «Von unserem Sortiment mag ich das ‹Znüni› am besten. Das ist ein Imperial Oatmeal Stout; ein sehr dunkles, kräftiges und röstaromatisches Bier», sagt Patton. Als Vorbereitung für die Meisterschaft lässt sie sich jeden Tag ein Bier von ihrem Mann servieren, um es blind zu degustieren und einzuordnen.
Für Stefan Hahn von «Getränke Hahn» aus Frauenfeld bedeutet eine optimale Vorbereitung ebenfalls, immer wieder verschiedene Biere zu probieren und den Stil zu definieren.
Der 47-Jährige hat 2011 die Ausbildung zum Schweizer Bier-Sommelier abgeschlossen und zwei Jahre später jene zum Diplom-Bier-Sommelier in Deutschland. Hahn sagt:
«Ein Bier ist für mich gut, wenn es typisch und vor allem fehlerlos gebraut ist.»
Dabei sei es völlig egal, wer das Bier gebraut hat und woher es kommt.
Das Interesse an verschiedenen Getränken sei bei ihm schon immer da gewesen; das gehöre zu seinem Berufsalltag. «1994 hat mich Bierpionier Martin Wartmann vom Brauhaus Frauenfeld ‹gluschtig› gemacht und mir die ersten Kriek, Trappist und Starkbiere vorgesetzt. Das war für mich bis dato beinahe unbekannt, aber umso faszinierender», sagt Hahn.
Im Arbeitsalltag mache es ihm Spass, zu erklären, wieso ein Bier einen spezifischen Geschmack hat und zu was man es einsetzen könne. An der Meisterschaft nimmt er teil, um sich mit seinen Kolleginnen und Kollegen zu messen, sich weiterzubilden und die Bier-Sommelierszene weiterzuentwickeln.
Neben der Theorie, wie die Geschichte des Biers und dem Brauprozess, müssen die rund 40 Teilnehmenden auch die Degustation beherrschen. Hier geht es einmal darum, Bier- und Fehlgeschmäcker zu erkennen. «Dazu wird zehn Mal das gleiche Bier serviert, die einzelnen Biere sind jedoch mit verschiedenen Aromen versehen», sagt Christoph Lienert, stellvertretender Direktor des Schweizer Brauerei-Verbandes. Zum Schluss der Vorrunde müssen dann zehn Bierstile am Geschmack erkannt werden. Nur die zehn besten Sommeliers kommen in den Halbfinal, die fünf besten in den Final.
Die Ausbildung zum Bier-Sommelier wird seit 2011 in Zusammenarbeit von Gastro Suisse und dem Schweizer Brauereiverband angeboten. «Das Ziel der Ausbildung ist, das Bierwissen in der Gastronomie und allgemein in der Genusswelt zu verbreiten», sagt Christoph Lienert, stellvertretender Direktor des Brauereiverbandes. Neben Gastronomen und Brauereimitarbeitern würden auch Privatpersonen die Ausbildung machen. Meist nutzen die Sommeliers dann ihr Wissen in ihrem Betrieb oder möchten private Degustationen anbieten.
«Dass aber jemand hauptberuflich Bier-Sommelier ist, kommt bis jetzt noch eher selten vor», sagt Lienert. Den Frauenanteil in der Ausbildung schätz er auf etwa 30 Prozent. «Bier ist eben kein reines Männergetränk, vermehrt entdecken Frauen die Bierwelt.»
Laut Lienert gibt es für jeden Bierstil ein passendes Glas. «Möchte man aber nicht für jedes Bier ein spezielles Glas anschaffen, so bietet sich ein bauchiges Glas – im Stil von einem Weissweinglas – an.» Der Schaum diene als eine Art Schutzschild, so dass das Bier länger geniessbar bleibt. «Auch sind Inhaltsstoffe und Aromen darin gelöst und können von der Nase wohlwollend aufgenommen werden», sagt Lienert.
Der Schaum sei aber nicht auf allen Bieren gewünscht. In Grossbritannien würden die typischen englischen alles möglichst ohne Schaum getrunken. «Für das beliebte Lagerbier sollte die Schaumschicht etwa zwei Fingerbreit betragen», sagt Lienert. Die Schaumbildung sei von der Ausschenktechnik und der Temperatur des Hopfengetränks abhängig. Vom Genuss aus der Flasche rate ein Bier-Sommelier aber ab, da nur in einem Glas alle Aromen und Gerüche zur Geltung kommen könnten. (dh)
In beiden Ausscheidungen geht es darum, ein bestimmtes Bier optimal der Fachjury zu präsentieren. «Bei der Präsentation ist nicht nur das Servieren wichtig, sondern auch die Beschreibung des Geschmacks, die Beratung und die Kenntnisse über die Brauerei und den Herstellungsprozess», sagt Lienert.
Fünf Thurgauer nehmen an der Schweizer Meisterschaft teil. Neben Karin Patton und Stefan Hahn sind dies: Madlaina Galli aus Romanshorn, Christian Tanner aus Frauenfeld und Markus Walter aus Kreuzlingen. Laut Lienert werden die Teilnehmer nicht ausgewählt, sondern melden sich an. «Berechtigt dazu sind alle Bier-Sommeliers mit Schweizer oder liechtensteinischem Pass, welche die Ausbildung zum Bier-Sommelier in der Schweiz oder Deutschland abgeschlossen haben», sagt Lienert.
Ob sich die Thurgauer durchsetzen können, wird sich zeigen. Patton schätzt das Teilnehmerfeld als stark ein. Für sie wäre eine gute Platzierung ein tolles Geburtstagsgeschenk. Hahn setzt auf das Zitat von Franz Beckenbauer: «Schau’n mer mal!»
Die Schweizer Meisterschaft findet am 10. November in Bern statt. Die vier besten Bier-Sommeliers vertreten die Schweiz nächstes Jahr an der Weltmeisterschaft im italienischen Rimini.