Wiener Charme und Klangkultur

Das Wiener Klaviertrio Jess entzückt bei den Casino-Konzerten in Herisau mit delikater romantisch-klassischer Kammermusik. Das Trio glänzt mit optimaler Homogenität und subtiler Ausdruckskraft.

Ferdinand Ortner
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HERISAU. Das renommierte österreichische Klaviertrio Jess schenkte am Mittwoch beim 5. Abend der Herisauer Casino-Konzert-Saison 2012/13 einem tief beeindruckten Publikum mit exquisiter romantisch-klassischer Kammermusik einen echten Hörgenuss. Das seit Jahrzehnten gemeinsam musizierende Ensemble – bestehend aus den Geschwistern Johannes, Elisabeth und Stefan Jess-Kropfitsch – präsentierte sich musikalisch mit Charme und Elan als «ein Herz und eine Seele». Das Trio glänzte – basierend auf spieltechnischer Perfektion – mit optimaler Homogenität und subtiler Ausdruckskraft. Delikat die feinsinnige Phrasierungskunst und Klangkultur, begeisternd die Lebendigkeit und Intensität des Vortrags.

Wohlklang

Während der Pianist den dominierenden Klavierpart brillant meisterte und zudem die Zuhörer spontan durch Erläuterungen zu den Komponisten und Vortragsstücken erfreute, überzeugten auch die Violinistin und der Cellist durch nuancenreiche Tongebung, reife Musikalität und exzellente Vortragskunst als kongeniale Partner. Das Programm hatte mit Klaviertrios von Johann Nepomuk Hummel (1778–1837), Bohuslav Martinu (1890–1959) und Franz Schubert (1797–1828) eine altösterreichische Note und bot vor allem höfische Kammermusik, wie sie in der Wiener Klassik vom Adel und dem reichen Bürgertum geschätzt wurde.

Schon beim Konzertauftakt mit dem dreisätzigen Klaviertrio in Es-Dur von J. N. Hummel, einem Gustostück galanter Musik, fühlt sich das Künstlerensemble in seinem Element. Das melodienselige «Allegro agitato» wurde beschwingt und klangschön musiziert, wobei der einfallsreiche Klavierpart optimal in die thematische Arbeit eingebunden war. Sehr gefühlvoll zelebrierte das Trio den graziös-kantablen Liedsatz mit den schmückenden Verzierungen und investierte ins schwungvolle «Presto»-Finale viel musikantisches Temperament.

Virtuoses Feuerwerk

An die folkloristische tschechische Musiktradition und den französischen Impressionismus knüpfte der böhmische Komponist Bohuslav Martinu in seinem 1. Klaviertrio an. Die fünf kleinen, auf einander bezogenen Stücke für Violine, Cello und Klavier – in unorthodoxem spätromantischen Stil – sprühten von kreativer Vielfalt und Vitalität und lebten von erregender Rhythmik und der eigenständigen farbigen Tonsprache, die auch Dissonanzen nicht scheut und durch ungewöhnliche Wendungen, magische Harmonien und virtuoses Feuerwerk beeindruckte. Zwischen den temperamentvoll gespielten schnellen Stücken mit ihren bizarren Figurationen «versteckte» sich ein zauberhaftes «Adagio» mit intensiver elegischer Melodik.

Highlight des Konzertes

Einen packenden musikalischen Kontrapunkt dazu bildete das absolute Highlight des Konzertes, das grossartige kantable Klaviertrio in Es-Dur von Franz Schubert – ein faszinierendes Seelengemälde des introvertierten Tonschöpfers. Hier erlebten die Zuhörer ein sinfonisch strukturiertes Meisterwerk mit einem vielfältigen Spektrum an Stimmungen – durch leidenschaftliche Gebärden und eruptive Gefühlsausbrüche geprägt. Das Jess-Trio breitete spannungsvoll eine reiche Ausdruckspalette aus und begnügte sich nicht mit Klangzauber und Virtuosität.

Die melodischen und rhythmisch-tänzerischen Gedanken des «Allegro»-Satzes mit dem zarten lyrischen Seitenthema leuchteten im Dialog der Instrumente in reizvollen Farben. Über dem Hauptthema des langsamen 2. Satzes mit dem charakteristischen Rhythmus und gedämpften Pathos eines Trauermarsches stimmte das Cello einen leidenschaftlichen Klagegesang an, den Klavier und Cello – garniert mit wilden Ausbrüchen und dramatischen Steigerungen – expressiv variierten. Im «Scherzo» kontrastierte das kunstvoll hinter einer «Scherzando»-Fassade verborgene musikalische Geschehen mit einem schroff akzentuierten Tanz-Thema. Das mitreissend präsentierte anspruchsvolle Rondo-Finale bestach mit einer bunten Palette elegischer Melodik, erregenden Rhythmuswechseln und dynamischer Virtuosität.