Volksmusik
Flüchtige Melodien festgehalten: Der Appenzeller Franz Wetter hat Stegreif-Noten notiert

Stegreifmusik ist pure Improvisation – ohne Noten. Im Jazz ist sie ein Muss, genauso wie in der Volksmusik. In der klassischen Musik hingegen ist Improvisation verpönt, ausser beim Orgelspiel in der Kirche. Der 85-jährige Franz Wetter spielte ein Leben lang ohne Noten. Jetzt hat er diese von 200 Polkas, Walzern, Mazurkas, Schottisch und Rugguuserli gesammelt und aufgeschrieben.

Margrith Widmer
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Schriftlich festgehalten: So gehen die Appenzeller Melodien nicht verloren.

Schriftlich festgehalten: So gehen die Appenzeller Melodien nicht verloren.

Bild: Andrea Stalder

Improvisation ist sehr spontan, der flüchtigste Teil der ohnehin schon flüchtigen Musik – gespielt – gehört – und weg – ausser jemand mit sehr gutem Gehör und Gedächtnis – oder Tonband – merke sich die Melodien und schreibe sie später auf – wie Franz Wetter.

«Es ist schön, dass sich jemand diese grosse Arbeit gemacht hat», sagt Barbara Betschart, Geschäftsführerin des Roothuus Gonten. «Es ist gut, dass alles gesichert ist und so nichts verloren geht.»

Franz Wetter, früher Coiffeur in Appenzell, begann schon sehr jung zu «blasen» – Trompete – noch vor der Rekrutenschule, wie er erzählt – damals noch mit Noten. Durch die Militärmusik und Kollegen «geriet ich je länger, je tiefer ins Blasen», sagt er. «Wir waren schöne Burschen, in Uniform mit Dreispitz-Hüten, roten Leibchen und Broschen», erinnert er sich.

Je nach Stimmung

In den Stegreifgruppen habe er «nie nach Noten gespielt, immer ausschliesslich auswendig und spontan, je nach Stimmung», sagt er. Bis jemand sagte «Chomm, mer hörid». Die «Jungen» spielten weiter – aber in einem anderen Stil. Da hat sich Wetter entschlossen, die Melodien aufzuschreiben – Appenzeller Melodien.

Gesammelt hat Franz Wetter seine Melodien bei den Stegreifmusik-Korps in Appenzell, Brülisau, Gonten und Haslen. Dabei hat er nicht nur die Melodien aufgeschrieben, sondern auch die zweiten Stimmen. Die «Alten» spielten häufig andere Harmonien, als sie heute üblich sind. Früher war häufiger Moll bevorzugt, heute ist es eher Dur. Die «anderen Harmonien» prägen den alten Stil.

Von Hand aufgeschrieben

Franz Wetter hat alle Melodien von Hand aufgezeichnet. Sein Sohn bringt sie jetzt in Druckform. Sein anderer Sohn beabsichtigt, nach seiner Pensionierung die Stegreifmelodien elektronisch zu erfassen. Wann und wie das entstehende Buch erscheint, ist noch offen.

Das Buch soll nicht den alten Stil konservieren, sondern ihn für künftige Weiterentwicklungen erhalten.