Hauptberuflich ist Lukas Pfiffner Lehrer. Im Nebenamt schreibt er Zeitungsartikel und ist Radio-Reporter. Hoch konzentriert kommentiert er das Zürcher Derby für Radio SRF 3, er liefert dem Regionaljournal eine Zusammenfassung und er interviewt Spieler. Eine Reportage von Mea Mc Ghee.
KLOTEN. In 20 Sekunden schaltet Hitparaden-Moderator Michel Birri in den Klotener Schluefweg. Dort sitzt Lukas Pfiffner auf der Pressetribüne, über Kopfhörer hat er Platz 17 der Hitparade im Ohr, wartet auf seinen ersten Einsatz. Der Herisauer kommentiert am 26. Januar das sechste Zürcher Eishockeyderby der Saison für die Hörer von Radio SRF 3. Nach Pfiffners Instruktionen lanciert der Hitparaden-Mann den Reporter: «Der ZSC ist souveräner Tabellenleader, hat aber die letzten zwei Auswärtsspiele verloren. Deutet etwas darauf hin, dass die Lions gegen die Kloten Flyers wieder verlieren?» Lukas Pfiffner nimmt den Faden auf: «Nein, gar nicht. Die bisher beste Chance verzeichneten die Lions nach zwei Minuten durch Topskorer Wick.»
Während er kommentiert, lässt der Herisauer das Geschehen auf dem Eis nicht aus den Augen. Es könnte ja ein Tor fallen. «Wenn ich auf Sendung bin, nenne ich lieber einen falschen Torschützen als gar keinen», sagt er. Denn manchmal geht es selbst dem Eishockey-Kenner zu schnell. Der Leserschaft der Appenzeller Zeitung ist «pf» bekannt – als Brosmist und versierter Sportjournalist. Erste Zeitungsberichte schrieb er einst über Fussball, berichtete zudem ab den 1980er-Jahren als Reporter für lokale Radiosender über den SC Herisau. Für das Internetradio «Sportradio.ch» kommentierte er vier Jahre lang Eishockeyspiele, seit 2008 ist er freier Sportreporter für Radio SRF.
Hauptberuflich unterrichtet Lukas Pfiffner seit über 30 Jahren an der Schule Herisau, aktuell in einem Teilzeitpensum. Zudem ist er Vorsteher des Schulhauses Landhaus und als solcher Mitglied der erweiterten Schulleitung. Schule und Journalismus liessen sich gut unter einen Hut bringen, ausschliesslich auf eines der beiden Standbeine setzen möchte er nicht. «Ich mache beides gerne, schätze die Abwechslung», so Pfiffner.
Zwischen den Einschaltungen beobachtet der Reporter das Spiel, notiert Chancen und Schlüsselszenen. Stichworte dienen als Gedankenstütze, manches formuliert er aber auch pfannenfertig, meist auf Schweizerdeutsch. Jede Strafe wird auf dem Matchblatt festgehalten, dazu allfällige Torschützen und Passgeber. Akribisch hat sich Lukas Pfiffner am Morgen des Spieltages vorbereitet, hat ein Statistikblatt für das Zürcher-Derby erstellt: Overtime-Bilanzen, Skorerpunkte, Telegramme der letzten Spiele, Resultate der Direktbegegnungen sind übersichtlich dargestellt. «Je nach Spielverlauf, baue ich einige Informationen in die Kommentare ein.» Flexibilität, gute Nerven und Schlagfertigkeit seien vom Reporter gefordert, dazu Zuverlässigkeit, Sachverständnis und sprachliche Fähigkeiten.
Im Schluefweg läuft das letzte Drittel. Klotens Pressechef will wissen, wen der Reporter als «Best-Player» wählt, welche Interviewpartner er wünscht. Immer wieder hat Pfiffner die Stimme des Radiomoderators im Ohr. Am Sonntagnachmittag ist der «Sende-Fahrplan» dicht: Zwischen 15.45 und 17 Uhr gibt es mehrere Live-Schaltungen in die Hitparade, danach ins Sportmagazin. Der Reporter darf keinen Einsatz verpassen, und keine wichtige Spielszene. Meist muss er sich kurz fassen, die Einschaltungen dauern zwischen 15 und 30 Sekunden. Das erfordert Konzentration und Präzision. Lukas Pfiffner mag diese Herausforderung, sagt: «Radio ist ein tolles Medium. Die Sportberichterstattung lebt vom Live-Moment, von der Action.» Die Anspannung als Reporter sei grösser, als wenn er für Printmedien unterwegs sei. Auch weil seine Stimme zu hören ist, und er dadurch persönlich fassbarer werde. Versprecher und Pannen sind ärgerlich, davor gefeit ist niemand. Lukas Pfiffner überlegt kurz, dann erzählt er von seinem grössten Schnitzer als Radio-Reporter. Er habe übersehen, dass die Lakers zum Penaltyschiessen einen neuen Goalie brachten, habe die Paraden des Falschen gelobt. Den Lapsus bemerkte er erst anhand der TV-Bilder. «Beim Radio gilt: Gesagt ist gesagt», so der Reporter.
Nebst dem SRF-Übertragungskoffer mit Kopfhörern, Mikrophon, Kabeln und ISDN-Gerät hat Lukas Pfiffner stets persönliches Material dabei: Schreibzeug und Papier, eine Flasche Mineralwasser, eine Taschenlampe, das digitale Aufnahmegerät und eine Funkuhr. Um 17.53 Uhr soll er für das Zürcher Regionaljournal eine Zusammenfassung liefern. Live. Falls das Spiel fertig ist, spricht er den Text auf einen Automaten. «Das könnte spitz werden», so der Reporter, als es kurz vor Schluss noch immer 0:0 steht und die Verlängerung droht. Vier Sekunden sind noch zu spielen, als Ryan Keller das Siegestor für die Lions erzielt. «Bitter hoch zwei ist diese Niederlage für die Kloten Flyers», beginnt Lukas Pfiffner seinen Schlussbericht auf Radio SRF 3. Dann wählt er sich etwas verspätet ins Studio des Zürcher Regionaljournals ein. «17:54.50, maximal eine Minute», gibt der Moderator das Zeitfenster bekannt. Kaum hat der Reporter das letzte Wort gesprochen, schnappt er das Mikrophon, eilt durchs halbe Stadion zu den Kabinen. Im Gang warten die Journalisten auf ihre Interviewpartner. Lukas Pfiffner notiert letzte Fragen, dann erscheint wie gewünscht Klotens Patrick von Gunten. Interviewpartner des Siegerteams ist Lions-Goalie Tim Wolf.
Die Halle hat sich geleert, Helfer wischen den Abfall von den Tribünen. Die Anspannung fällt vom Reporter ab. Sein Einsatz ist beendet. «Wäre ich für die Zeitung unterwegs, würde ich nun am Text feilen», nennt Lukas Pfiffner einen weiteren Unterschied zwischen Radio und Print. Er verstaut die technischen Hilfsmittel im Übertragungskoffer, macht sich auf den Weg zum Parkplatz. Kritisch verfolgt er auf der Heimfahrt die Ausstrahlung der Interviews. Wären nicht Sportferien, stünde er anderntags vor seiner Schulklasse.