Gesamterneuerungswahlen
Kampfwahl in Speicher: Das unterscheidet die Kandidierenden für den Kantonsrat –die wichtigsten Statements im Überblick

Am 16. April stehen in Ausserrhoden die Gesamterneuerungswahlen an. Vor allem die Kantonsratssitze sind begehrt. In diversen Gemeinden kommt es zu Kampfwahlen. Gross ist die Spannung in Speicher mit sechs Kandidierenden für fünf Sitze. Die im Appenzellerland noch junge GLP Appenzellerland fordert die arrivierten politische Kräfte von SP, FDP und PU heraus. Die Kandidierenden nehmen zu den wichtigsten Fragen Stellung.

Astrid Zysset
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Der Ausserrhoder Kantonsrat wird am 16. April neu bestellt.

Der Ausserrhoder Kantonsrat wird am 16. April neu bestellt.

Judith Egger, SP, seit 2011 im Kantonsrat.

Judith Egger.

Judith Egger.

Bild: PD

Finanzausgleich: Nachbesserung zwingend

Die vom Ausserrhoder Regierungsrat präsentierte Finanzausgleichsvorlage muss nach­gebessert werden. Das Ziel, die ­finanziellen Unterschiede zwischen den Gemeinden zu verringern, unterstütze ich, da diese Unterschiede grösstenteils unbeeinflussbaren Faktoren geschuldet sind. Es kann nicht sein, dass die Bevölkerung in ­finanzschwachen Gemeinden für höhere Steuern weniger Leistungen erhält. Langfristig führt aber kein Weg an Anpassungen der Gemeindestruktur vorbei. Nicht zuletzt im Hinblick auf Gemeindefusionen muss ein ausgewogenes Verhältnis der Steuerbelastung unter den Gemeinden erreicht werden. Beim Lastenausgleich Kanton–Gemeinden ist ein Ausgleich für Pflegekosten zwingend.

Kantonsverfassung: Proporz überfällig

Als wichtigstes Anliegen sehe ich die Einführung des Proporzwahlverfahrens für den Kantonsrat. Dieser Schritt ist für Ausserrhoden überfällig. In den letzten Jahren hat sich in unserem Kanton eine vielfältige Politlandschaft mit acht Parteien entwickelt. Unser Wahlsystem (Majorz) verhindert, dass diese Kräfte nach ihrer Stärke im Parlament abgebildet werden. Weitere Kernpunkte sind das Ausländerstimmrecht und das Stimmrechtsalter 16. Hier geht es darum, möglichst weite Bevölkerungskreise miteinzubeziehen, wenn es darum geht, das Miteinander zu gestalten. Das Stimmrechtsalter 16 verstehe ich auch als Zeichen zur Stärkung des Generationenvertrags, der bislang vorwiegend über Geld definiert wurde. Über die Gemeindestruktur stimmen wir im November separat ab.

Zukunft des Kantons: Mehr erneuerbare Energie

Angesichts der Klimakrise ist der Ausbau der erneuerbaren Energien zentral. Dringend sind auch Massnahmen zur Förderung der Biodiversität. Auch wenn bereits einiges unternommen wird, so fehlt doch nach wie vor eine Biodiversitätsstrategie. Ausserdem muss sich Appenzell Ausserrhoden in puncto Gemeindestruktur bewegen: die Dörfer bewahren, Gemeinden als Verwaltungseinheiten zusammenlegen. Für den Zusammenhalt und die Lebensqualität in den Dörfern ist eine intakte Nahversorgung (Läden, Post, Hausärzte, Begegnungsorte etc.) nötig. Diese sicherzustellen, wird zunehmend auch eine öffentliche Aufgabe. Und unser Kanton braucht endlich eine Alterspolitik.

Gabriela Wirth Barben, PU, seit 2019 im Kantonsrat.

Gabriela Wirth Barben.

Gabriela Wirth Barben.

Bild: PD

Finanzausgleich: Einschneidend für einige Gemeinden

Die Trennung von Lasten- und Ressourcenausgleich begrüsse ich. Durch die festgelegten Parameter soll der Ausgleich kostenneutral erfolgen, sie entsprechen jedoch nicht den Empfehlungen der HSLU. Der jetzige Vorschlag ist für einzelne Gemeinden tatsächlich einschneidend. Der neue Finanzausgleich konkurriert mit anderen Zielen des Kantons. Wir sind zurecht stolz auf die touristische Anziehungskraft der Schwägalp und des Säntis. Die Gemeinde Hundwil hat hier Sonderlasten zu tragen. Auch sind wir stolz auf die Streusiedlungen und die raumplanerischen Besonderheiten des Kantons, welche angemessen berücksichtigt werden sollen. Der bisherige Finanzausgleich war strukturerhaltend. Im Kantonsrat werde ich mich für das gezielte Abwägen dieser Punkte einsetzen.

Kantonsverfassung: Modern und passend

Ich bin an der neuen Kantonsverfassung als Mitglied der ausserordentlichen Kommission sehr nahe dran. Diese Arbeit führe ich bei einer allfälligen Wiederwahl sehr gerne weiter, und ich schätze die Diskussionen über die verschiedenen Eckpunkte mit den unterschiedlichen Wertehaltungen sehr. Als Ärztin bin ich mir gewohnt, Neues ergebnisoffen anzugehen. So möchte ich auch hier nicht einzelne Artikel herausstreichen, sondern das Gesamtbild. Die Kantonsverfassung ist in meinem Verständnis nämlich nicht nur ein juristischer Text, sondern auch ein politisches, geschichtliches und kulturelles Dokument. Der momentane Entwurf ist modern und entspricht Appenzell Ausserrhoden. Das möchte ich gerne beibehalten.

Zukunft des Kantons: Zeitgemässe Strukturen

Die finanziellen und strategischen Ziele sind für mich kein Widerspruch zu einem innovativen, kreativen, ressourcenschonenden und sozialen AR. Tiefe Steuern sind lohnenswert, dürfen aber nicht gegen eine lebenswerte Gemeinschaft ausgespielt werden. Ideale, freiheitlich geprägte Voraussetzungen für Bevölkerung und Gewerbe sind unter anderem auch mit einer Verbesserung der Erreichbarkeit unserer Dörfer auf der Strasse und mit dem ÖV zu bewältigen. Nicht nur die Gemeinden, sondern auch der Kanton muss die demografische Entwicklung und die Bedürfnisse der Bevölkerung und des Gewerbes mit einer zeitgemässen Infrastruktur und funktionierenden Rahmenbedingungen abdecken. Dazu gehören für mich Entscheidungen bei den Gemeindestrukturen und der Kantonsverfassung.

Daniel Bühler, FDP, seit 2015 im Kantonsrat.

Daniel Bühler

Daniel Bühler

Bild: Damian Imhof

Finanzausgleich: Stossrichtung stimmt

Wir werden den sich erst in Vernehmlassung befindlichen neuen Finanzausgleich noch intensiv diskutieren und auch anpassen. Im Grundsatz begrüsse ich jedoch die Stossrichtung der Regierung. Durch die Orientierung am Finanzausgleich des Bundes und den Beizug der Hochschule Luzern wird die Diskussion ­objektiviert. Meines Erachtens müs­­sen wir den neuen Finanzausgleich unter Ausschluss der Ausreisser Teufen und Hundwil beurteilen. Er muss für die Masse der Gemeinden passen. Für Teufen und Hundwil müssen sinnvolle Lösungen gefunden werden. Dabei werden wir den Entscheid der Bevölkerung über die künftige Struktur des Kantons und die von der Kommission Finanzen angestossene Studie zu den Finanzflüssen zwischen Kanton und Gemeinden mitberücksichtigen müssen.

Kantonsverfassung: Gegen Stimmrecht 16

Mich beschäftigen die Einführung des Proporzwahlverfahrens und die Herabsetzung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre. Für den Proporz kann ich mich nicht begeistern. Alle Parteien kämpfen mit einem stetigen Mitgliederschwund. Die Bürgerinnen und Bürger wollen sich politisch nicht mehr festlegen und aktiv engagieren. Und diese Parteien sollen eine grössere Bedeutung erhalten, in dem sie Kandidatinnen und Kandidaten für volle Listen bei Kantons- und Gemeinderat suchen müssen? Das Stimmrechtsalter 16 wird in allen Bevölkerungsschichten kontrovers diskutiert, selbst bei den jungen Menschen. Persönlich stehe ich klar für ein Stimmrecht ab 18 Jahren: Für mich sind Volljährigkeit und damit Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln untrennbar mit dem Stimmrecht verbunden.

Zukunft des Kantons: Einsparungen notwendig

Ich wünsche mir, dass der Regierungsrat inskünftig den Voranschlag ohne Berücksichtigung der Ausschüttungen der Nationalbank ausgeglichen gestaltet. Das Nationalbankgeld soll für strategische Zukunftsprojekte im Kanton eingesetzt werden, vor allem zur Förderung der Energiewende, der Versorgungssicherheit mit Elektrizität und zur Verbesserung der Gemeindestrukturen. Mit dem Volksschulgesetz und dem neuen Kinderbetreuungsgesetz investieren wir zusätzliche Mittel in die Bildung und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Einsparungen sind andernorts notwendig. Hier ist der Regierungsrat in der Pflicht, indem er aufzeigt, welche Gesetze angepasst werden müssen, damit alte Zöpfe abgeschnitten und behördliche Abläufe im Sinne des Pareto-Prinzips optimiert werden können.

Roland ­Fischer, FDP, seit 2015 im Kantonsrat.

Roland Fischer.

Roland Fischer.

Bild: Damian Imhof

Finanzausgleich: Nicht an Polen ausrichten

Niemand ist glücklich mit dem aktuellen Ausserrhoder Finanzausgleichsgesetz aus dem Jahr 2008. Eine Totalrevision ist deshalb schon längere Zeit auf der Agenda des Regierungsrates. Die vorliegende Totalrevision unterstütze ich in den Grundzügen, wobei allerdings noch Feinjustierungen zu machen sind. Die Frage zu den beiden «Polen» Teufen und Hundwil ist berechtigt. Ich bin jedoch der Meinung, dass das neue Finanzausgleichsgesetz nicht die beiden Extreme, sondern die breite Masse abbilden soll. Positiv bewerte ich den Umstand, dass der Finanzausgleich in der vorliegenden Form auch auf eine veränderte Anzahl Gemeinden angewendet werden kann und somit alle Möglichkeiten zur Anpassung oder Beibehaltung der Gemeindestrukturen offen lässt.

Kantonsverfassung: Eigenheiten beibehalten

Ich möchte nicht zwischen besonders wichtig und weniger wichtig unterscheiden, sondern ein paar grundsätzliche persönliche Gedanken einbringen. Elemente, die charakteristisch für unseren Kantons sind, sollen beibehalten werden. So zum Beispiel das Fehlen des Hauptortes. Der Verzicht auf die Nennung der Gemeinden in der Kantonsverfassung ist ebenso sinnvoll, da so – wie bereits in der vorhergehenden Frage erwähnt – alle Möglichkeiten offenstehen. Die Herabsetzung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre dürfte für vertiefte und kontroverse Diskussionen sorgen. Weitere Diskussionspunkte für mich sind die 300 Unterschriften für ein Zustandekommen einer Volksinitiative und die Amtsdauer von acht Jahren für Richter.

Zukunft des Kantons: Gesundes Wachstum

Ausserrhoden darf nicht stehen bleiben. Ein gesundes und massvolles Wachstum ist dabei zwingend notwendig. Dies unter anderem, weil mit Ausschüttungen der Nationalbank nicht immer gerechnet werden kann, wie beispielsweise in diesem Jahr. Wohnraum ist äusserst knapp. Deshalb muss die innere Verdichtung in den Gemeinden weiter zunehmen und vorangetrieben werden. Dies unter anderem auch darum, weil viele Junge nach ihren Wanderjahren in ihr angestammtes Umfeld zurückkehren möchten. In Energiefragen hat der Kantonsrat mit einem der fortschrittlichsten Energiegesetze der Schweiz die Rahmenbedingungen für eine zukunftsgerichtete Energiepolitik festgelegt.

Natalia Bezzola Rausch, FDP, seit 2019 im Kantonsrat.

Natalia Bezzola Rausch.

Natalia Bezzola Rausch.

Bild: PD

Finanzausgleich: Totalrevision wichtig

Da schliesse ich mich ganz der Meinung der FDP Ausserrhoden an. Die vorliegende Totalrevision des Finanzausgleichsgesetzes ist nötig und wichtig, um den Zusammenhalt des Kantons zu fördern, indem ein transparenter und verständlicher Finanzausgleich angewandt wird. Er funktioniert auch dann, wenn Gemeinden fusionieren sollten. Für Teufen und Hundwil, die sich beide auf ihre Weise von der Menge der Ausserrhoder Gemeinden abheben, soll es Speziallösungen geben, damit die beiden nicht dafür bestraft werden, dass sie finanziell stark bzw. schwach sind.

Kantonsverfassung: Geschärftes Profil

Mit der Totalrevision haben wir die Gelegenheit, die Verfassung zu modernisieren und dem Kanton ein zeitgemässes, geschärftes Profil zu geben und dabei die Identität des Kantons zu wahren. Grundsätzlich gefallen mir im vorliegenden Entwurf – um nur ein paar Punkte zu erwähnen –, dass jegliche Diskriminierung entfallen soll, sei es bei der Bezeichnung des Regierungspräsidiums oder dem Stimmrecht für Niedergelassene. Bei der Senkung des Stimmrechtsalters war ich mir lange nicht sicher. Beobachte ich unsere drei Kinder, so kann ich nicht bestätigen, dass alle bereits mit 16 so weit sind oder waren, die Verantwortung der Mitbestimmung zu übernehmen. Wird die politische Bildung in der Schule aber weiter ausgebaut, so bin ich mir sicher, dass die ganze Jugend schon bald so weit ist. Die engagierten Jugendlichen, die sich mit grossem Einsatz für ihre Anliegen wie zum Beispiel den Schutz der Umwelt engagieren, beweisen, dass man durchaus bereits mit 16 eine klare politische Meinung haben kann. In der Präambel sollen veraltete Begriffe modernisiert und umgeschrieben werden, aber die Erwähnung von Gott darf meiner Meinung nach nicht wegfallen.

Zukunft des Kantons: Für alle Generationen

Mir ist es wichtig, dass sich der Kanton auch in Zukunft in der Ostschweiz behaupten kann. Der Regierungsrat nennt in seinem Programm 2020–2023, dass unser Kanton noch weiter zu einem attraktiven Wohnkanton ausgebaut werden soll. Schön, aber das Gewerbe und die Bildungsstätten müssen auch im Fokus bleiben. So kann ich mir gut vorstellen, dass in Heris­au einmal eine Dependance der FH Ost entstehen könnte und freue mich, wenn die Kanti Trogen und das Berufsbildungszentrum weiterausgebaut und gestärkt werden. Wenn wir das neue Energiegesetz so wie gedacht, umsetzen, unseren Spitalverbund festigen und die Unterstützung der Wohn- und Altersheime auch in der Peripherie ausbauen können, bin ich zufrieden. Dann können wir mit Fug und Recht sagen, dass wir in einem Kanton leben, in dem alle die gleichen Chancen haben und für alle Generationen gesorgt wird.

Tina Grosjean, GLP

Tina Grosjean.

Tina Grosjean.

Bild: PD

Finanzausgleich: Steuerfussziel verfehlt

Im Grundsatz unterstütze ich diese Revision. Insbesondere die Bestrebungen, den Ressourcenausgleich auf die finanzschwachen Gemeinden zu fokussieren. Auf diese Weise wird die Eigenverantwortung der Gemeinden gefördert. Allerdings werden mit dem neuen Finanzausgleich die Steuerfüsse der einzelnen Gemeinden noch weiter auseinanderdriften, was ich als wenig sinnvoll erachte, weil dadurch das Ziel eines ausgewogenen Verhältnisses bei der steuer­lichen Belastung der Steuerpflichtigen in den einzelnen ­Gemeinden verfehlt wird. Aufgabenverschiebungen zwischen Gemeinden und Kanton könnten helfen, die Steuerlast fairer zu verteilen. So könnten gewisse Aufgaben, die von den Gemeinden nicht beeinflusst werden können, auf den Kanton übertragen werden.

Kantonsverfassung: Gleichstellung vorantreiben

Die neue Ausserrhoder Kantonsverfassung ist zeitgemäss formuliert und beinhaltet viele Punkte, die mir für die Ausserrhoder Politik wichtig sind. Zwei Themenbereiche möchte ich hervorheben: die Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Denn auch wenn die gesetzliche Gleichstellung schon länger in der Bundesverfassung festgehalten wird, gibt es hier noch viel zu tun. In die gleiche Richtung geht das Diskriminierungsverbot, das zur Chancengleichheit beiträgt. Die Artikel zu Klimaschutz und Energie müssen so umgesetzt werden, wie sie in der neuen Kantonsverfassung geregelt sind: mit einer umweltschonenden, möglichst unabhängigen Energieproduktion und Rahmenbedingungen, mit denen wir die Klimaneutralität erreichen können.

Zukunft des Kantons: Attraktive Bedingungen

Ausserrhoden soll für die hier lebenden Menschen, die ansässige Wirtschaft und die auswärtigen Gäste attraktiv sein. Die einmalige Landschaft mit all ihren ökologischen und ökonomischen Facetten soll für die kommenden Generationen erhalten bleiben. Firmen sollen attraktive Bedingungen vorfinden, wie ein gutes duales Bildungssystem für die Ausbildung von Fachkräften, Betreuungsstrukturen für die Kinder ihrer Mitarbeitenden, ­faire Steuersätze und wenig bürokratische Hürden. Mit klimafreundlichen und unabhängigen Energielösungen sorgen wir für einen lebenswerten und konkurrenzfähigen Kanton mit gesunden Finanzen.