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Es brauche nur ganz wenig, damit der Strom im Winter knapp werde. Die Schuld sieht der Präsident der Schweizer Gasnetz-Betreiber zu einem grossen Teil beim Bundesrat.
Unter den aktuellen Voraussetzungen brauche es nur ganz wenig, dass im Winter die Energie knapp wird. Das sagte André Dosé, Präsident von Swissgas und dem Gasverbund Mittelland, im Interview mit der NZZ. In der Schweiz sei man sich «zu wenig bewusst, wie gefährlich die Situation ist». Für Dosé ist klar: «Wir haben ein riesiges Problem.»
Bereits in den nächsten Tagen könnte die Gasmangellage in Deutschland ausgerufen werden. Und es gebe immer mehr Zeichen, dass über Nord Stream 1 nach der Wartung im Juli gar kein Gas mehr aus Russland nach Europa fliessen wird. Zugleich seien in Frankreich 40 bis 45 Prozent der Atomkraftwerke ausser Betrieb und der weltweit grösste Gasversorger habe Liquiditätsprobleme.
Die Schweiz sei ganzjährig auf Gasimporte und im Winter auf die Stromeinfuhr angewiesen. Die Krise in der Schweiz sei «zu einem grossen Teil selbstverschuldet», sagte der Swissgas-Chef sagt weiter. Denn die Energiestrategie 2050 sei «auf Sand gebaut». Man sei von keinem Bevölkerungswachstum sowie von einer Reduktion des Stromverbrauches ausgegangen. Zudem sei die Elektromobilität in den Szenarien nicht enthalten gewesen. Dosés Verdikt:
«Es handelte sich um eine Träumerei, die nie funktioniert hätte.»
Zwar begrüsst er, dass der Bundesrat mit Deutschland über ein Solidaritätsabkommen im Falle einer Strommangellage verhandelt. Aber Dosé ist skeptisch, was den Nutzen betrifft: «Wir hätten früher aktiv werden sollen. In der Krise ein Abkommen auszuhandeln, ist immer sehr schwierig.» Zudem sei die Position der Schweiz «nicht die beste».
Der Swissgas-Chef wirft dem Bundesrat weitere Versäumnisse vor: Die Schweiz hätte sich vor drei Monaten für ein oder zwei Milliarden Franken Gas sichern sollen. Das sei aber nicht geschehen. Nun sei die Beschaffung um das Dreifache teurer geworden. Ein Problem sind laut Dosé auch die «astronomisch hohen finanziellen Garantien», die Lieferanten mittlerweile für die Optionen verlangen.
Dosé erwartet einen weiteren starken Anstieg des Gaspreises – von heute rund 170 Euro pro Megawattstunde auf bis zu 250 Euro «oder noch höher». (aka)