Skicross
Fanny Smith über Olympia-Bronze: «Mir wurden alle Emotionen gestohlen»

Fanny Smith hat emotionale Tage hinter sich. Bis Olympia-Bronze war es für die Schweizer Skicrosserin zwar ein langer Weg. Dieser scheint nun aber ein Ende gefunden zu haben. Und die 29-jährige Waadtländerin hat bereits neue Pläne.

Gabriel Vilares
Drucken
Fanny Smith hat emotionale Tage hinter sich. An der Medienkonferenz am Dienstag spricht sie erstmals über die schwierige Zeit in Peking.

Fanny Smith hat emotionale Tage hinter sich. An der Medienkonferenz am Dienstag spricht sie erstmals über die schwierige Zeit in Peking.

Keystone

Fanny Smith hat turbulente Tage hinter sich. Die 29-jährige Waadtländerin durchlebt am 17. Februar beim olympischen Skicross-Final eine emotionale Achterbahnfahrt: Euphorie, Konfusion, Hilflosigkeit, Wut, Ungerechtigkeit und Tristesse. All das innerhalb kürzester Zeit. Die Schweizerin zieht sich zurück, braucht Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten. Am Dienstag – knapp drei Wochen nach diesem aufwühlenden Tag in China – spricht Smith in einem Café in Lausanne erstmals mit den Medien über diese bewegende Zeit.

Rückblende: Mitte Januar stürzt die dreifache Gesamtweltcup-Siegerin im kanadischen Nakiska und verletzt sich am Knie. Fortan geht sie an Krücken. «Ich wusste nicht, ob ich rechtzeitig fit werden würde.» Doch dann erhält Smith von ihren Ärzten grünes Licht für einen Start in Zhangjiakou:

«Nur schon die Teilnahme war ein grosser Erfolg für mich» ...

... blickt Smith zurück. Sie kann in Peking jedoch nicht ohne Schmerzmittel fahren. Sie muss die Einnahme der Medikamente mit ihrem Team auf die Minute genau planen.

Härteste Tag ihrer Karriere

Im Final passiert die Skicrosserin die Ziellinie als Dritte, freut sich über die zweite Bronzemedaille nach Pyeongchang. Doch der Jubelschrei bleibt der Westschweizerin im Hals stecken. Sie erlebt stattdessen den «härtesten Tag meiner Karriere». Plötzlich erscheint nämlich auf den Bildschirmen die Mitteilung «Run under review». Minutenlang untersucht die Jury den Lauf. Smith: «Wir haben unter den Athletinnen zunächst gelacht, als wir die Einblendung sahen. Wir wussten nicht, was untersucht werden sollte.»

Fanny Smith (vorne) im Zweikampf mit der deutschen Rivalin Daniela Maier.

Fanny Smith (vorne) im Zweikampf mit der deutschen Rivalin Daniela Maier.

Keystone

Ein Zweikampf zwischen Fanny Smith und der Deutschen Daniela Maier wird unter die Lupe genommen. Die Schweizerin gerät dabei in die Fahrbahn der Konkurrentin, was die Jury als Behinderung und gefährliches Manöver taxiert und Smith damit auf den vierten Rang zurückversetzt. Die Verwunderung ist allen Athletinnen anzusehen. Sogar die deutsche Konkurrentin erklärt im Ziel: «Nein, das war ganz normaler Skicross.»

Fanny Smith kann es nicht fassen, teilt ihrem Trainer mit, sie wolle gegen die Entscheidung rekurrieren. «Danach wollte ich einfach nur noch verschwinden. Für mich war die Entscheidung unverständlich und unfair», erzählt sie. Die Skicrosserin hat die Zeit als nie endenden wollender Albtraum in Erinnerung. Erst um 3 Uhr in der Früh kann sie sich ins Bett legen.

Von der Solidarität überrascht

In der Zwischenzeit erreicht die 29-Jährige eine Flut an Nachrichten mit Solidaritätsbekundungen. Smith ist nach wie vor sichtlich gerührt, als sie Wochen später von all dem Zuspruch erzählt. Mit brüchiger Stimme und wässrigen Augen sagt sie:

«Neben all dem Negativen war es unglaublich schön, so viel Sympathie zu erfahren.»

Es folgt die Rückkehr in die Schweiz. Von dort aus geht es jedoch gleich nach Sardinien. Die Weltmeisterin von 2013 will sich eine Auszeit nehmen, isoliert sich danach im Haus eines Freundes in Italien. Kurzzeitig macht sich Fanny Smith sogar Gedanken über einen Rücktritt, kann diesen aber beiseite schieben.

«Mir wurden alle Emotionen gestohlen»

Am 26. Februar folgt nämlich die frohe Kunde vom Weltskiverband. Die FIS heisst den Rekurs von Fanny Smith und Swiss Ski gut. Sprich: Fanny Smith erhält am grünen Tisch doch noch Olympia-Bronze, der Deutschen Daniela Maier wird ihr Edelmetall aberkannt:

«Das war eine grosse Erleichterung. Ich wusste, dass ich nichts Regelwidriges getan habe. Die Gerechtigkeit hat gesiegt, die Umstände sind dennoch traurig.»

Damit spricht die 29-fache Weltcupsiegerin zwei Aspekte an. Einerseits den Moment, den sie bei der Siegerzeremonie verpasst hat. Gefühle, die man nicht rekonstruieren kann. «Mir wurden alle Emotionen gestohlen.» Andererseits denkt sie auch an die deutsche Widersacherin. «Wir haben uns geschrieben, die Situation ist jedoch kompliziert. Ich möchte mich dann mal noch persönlich mit ihr unterhalten.» Wann Fanny Smith die Olympia-Medaille effektiv erhalten wird, weiss sie allerdings noch nicht.

Daniela Maier (rechts) gratuliert Fanny Smith zu Bronze, doch die Jury interveniert.

Daniela Maier (rechts) gratuliert Fanny Smith zu Bronze, doch die Jury interveniert.

Keystone

Der Fall ist nämlich noch nicht abgeschlossen. Daniela Maier hat zusammen mit dem Deutschen Skiverband angekündigt, alle juristischen Mittel prüfen zu wollen. Sobald auf FIS-Ebene alle Prozesse abgeschlossen sind, wird sich dann auch das Internationale Olympische Komitee dazu noch äussern. Dabei würde Fanny Smith die Möglichkeit von zwei Bronzemedaillen unter Umständen gutheissen, wie sie sagt.

Sicher hingegen ist, dass sich Smith vom Rennfieber wieder hat packen lassen. An diesem Wochenende wird sie seit den aufwühlenden Tagen in Peking erstmals wieder auf den Skis stehen. Die Waadtländerin möchte ihren zweiten Rang in der Gesamt-Wertung nämlich verteidigen. Und auch das Lächeln scheint sie wieder gefunden zu haben. Umso mehr, wenn sie auf die Olympischen Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina angesprochen wird. Ein Titel, der in ihrer Karriere noch fehlt. Ein Titel, der womöglich die gestohlenen Emotionen vergessen lassen würde.