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Geraint Thomas wird im abschliessenden Zeitfahren seiner Favoritenrolle gerecht. Den Tagessieg verpasst der Brite zwar knapp, doch es reicht deutlich zum Gesamtsieg – bei einer Tour de Suisse, die vom Corona-Virus ausgebremst zu werden drohte.
Das Aufatmen ist gross. Das Horrorszenario eines vorzeitigen Abbruchs der 85. Tour de Suisse (TDS) konnte abgewendet werden. Nicht selbstverständlich, denn die vergangenen Tage haben die Organisatoren der grössten Radrundfahrt der Schweiz mächtig ins Schwitzen gebracht. Das war nicht nur der Bruthitze geschuldet, sondern besonders Corona: das Virus, welches im Fahrerfeld sein Unwesen trieb.
«Wir sind sehr erleichtert. Es zeigt, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben», blickt Tour-Direktor Olivier Senn im Gespräch mit dieser Zeitung auf die vergangenen Tage zurück. Vier Teams hatten sich noch vor der Königsetappe am Freitag komplett zurückgezogen. Von 153 Rad-Profis, welche den Start der Rundfahrt im zürcherischen Küsnacht in Angriff genommen hatten, waren nach der achten und letzten Etappe lediglich noch 76 im Gesamtklassement vertreten. Damit war noch rund die Hälfte übrig. Eindrückliche Zahlen, die aufzeigen, von welcher Welle das Fahrerlager heimgesucht wurde.
Nicht alle Profis mussten die Tour wegen dem tückischen Virus vorzeitig verlassen, doch etliche hat es erwischt. Prominente Athleten wie Alexander Wlassow, Marc Hirschi, Gino Mäder oder zuletzt am Sonntag noch TDS-Rekordsieger Peter Sagan wurden von Corona ausgebremst. Die gute Nachricht: Die meisten litten an milden Symptomen oder wiesen keine auf. Nur Einzelne hat es flachgelegt.
Von der Heftigkeit der Ausbreitung überrascht, mussten die Tour-Organisatoren plötzlich um die Fortführung bangen. «Die Ungewissheit war gross. Es war nicht lustig, aber wir haben es gut gemeistert», so Senn. Angesprochen auf den Gesamtsieger, zeigt sich der 52-Jährige dann wieder verzückt: «Ein Weltklasse-Fahrer».
Der Profi von internationalem Format trägt den Namen Geraint Thomas. Der 36-jährige Brite, der 2018 an der Tour de France siegte, ging als Triumphator hervor. Im abschliessenden Einzelzeitfahren über 25,6 Kilometer mit Start- und Zielort in Vaduz wurde der Waliser Zweiter. Der zweifache Olympiasieger in der Mannschaftsverfolgung musste sich im Kampf um den Tagessieg lediglich dem Belgier Remco Evenepoel um drei Sekunden geschlagen geben.
Damit stand auch fest, dass die Tour de Suisse ohne Schweizer Etappensieg über die Bühne gehen würde. Hoffnungsträger Stefan Küng musste sich mit dem dritten Platz (+11 Sekunden) abfinden. Eine leise Enttäuschung für den 28-jährigen Ostschweizer, der sich nach dem Heimsieg in seiner Paradedisziplin sehnte. «Ich war auf gutem Weg, doch ab der zweiten Streckenhälfte hatte ich mit der Hitze zu kämpfen. Es ist schade, aber ich muss es akzeptieren. Ich kann mir keinen Vorwurf machen», so Küng im TV-Interview. In der Gesamtwertung verbesserte sich Küng um zwei Positionen und beendete die Tour als Fünfter (+2:25 Minuten).
Das warten auf das nächste Schweizer Tour-Podium geht damit zwar weiter (letztmals schaffte es Mathias Frank 2014), doch für Küng verlief die gesamte Rundfahrt dennoch höchst erfreulich – und auch für ihn überraschend. «Er ist über sich hinausgewachsen», findet ebenfalls Olivier Senn. Der Tour-Direktor und ehemalige Rad-Profi bezeichnet die diesjährige Ausgabe als die «anspruchsvollste der vergangenen zehn Austragungen». Küng freute sich nach dem Rennen auf die Heimkehr, denn er uns seine hochschwangere Frau Céline erwarten in den nächsten Tagen das erste Kind.
Zurück zu Tour-Sieger Thomas, der in der letzten Etappe den kolumbianischen Bergspezialisten Sergio Higuita das Leadertrikot erwartungsgemäss abnahm und letztlich mit einem Vorsprung von 1:12 Minuten an der Spitze stand. Das Gesamt-Podest komplettierte der Däne Jakob Fuglsang. Ein hochkarätiges Podium, welches sich fraglos auch ohne die ausgefallenen Athleten so hätte präsentieren können.
«Es ist die viertwichtigste Rundfahrt. Eines der schönsten Länder, in denen wir fahren», freute sich der Ineos-Profi. Mit dem Gesamtsieg bewies der 36-Jährige, das er zwar zum alten Eisen gehört, aber noch mit ihm zu rechnen ist. Auch bei der am 1. Juli beginnenden Tour de France.