Energiemangellage
Krisenstab und Anlaufstelle: So rüstet sich die Schweiz für die Energiekrise

Bei einer Gas- und Strommangellage in der Schweiz laufen die Fäden bei einer Stelle zusammen. Am Freitag hat der Bundesrat diesen Krisenstab genehmigt. Bereits ab Oktober wird eine zentrale Anlaufstelle für Kantone und die Wirtschaft gebildet.

Reto Wattenhofer
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Europa droht ein Winter ohne ausreichend Gas. Auch die Schweiz bereitet sich auf mögliche Engpässe vor.

Europa droht ein Winter ohne ausreichend Gas. Auch die Schweiz bereitet sich auf mögliche Engpässe vor.

Keystone

Die Kälte in den letzten Tagen hat ihn bereits angekündigt. Der Winter ist nicht mehr allzu fern – und damit die mögliche Gefahr von Gas- und Stromengpässen. Der Bund bereitet sich bereits seit Monaten auf die drohende Energiekrise vor. Am Freitag hat der Bundesrat die organisatorische Struktur für die Krise geregelt.

Er genehmigte den Krisenstab, der die aktuelle Krisenorganisation im Fall einer schweren Energiemangellage ergänzen soll. Dieser kommt nur zum Zug, wenn der Markt nicht mehr funktioniert – also sobald Verbote und Kontingentierungen notwendig sind. Strategisch wird der Stab von Bundesrat Guy Parmelin geführt.

Der Wirtschaftsminister war am Freitag vor den Medien bemüht, keine Panik aufkommen zu lassen. «Wir sind heute nicht in einer Mangellage.» Noch funktioniere der Markt und der Bundesrat tue alles, um eine solche Situation abzuwenden. Aus Sicht von Parmelin ist jetzt Energiesparen angesagt – und neue Zahlen stimmten ihn zuversichtlich. So sank der Gasverbrauch im Sommer um 20 Prozent.

Erfahrungen der Pandemie

Stärken möchte der Bundesrat auch die Koordination. Die aktuelle Krisenorganisation soll ab 10. Oktober durch eine zentrale Kontaktstelle ergänzt werden. An diese können sich alle betroffenen Kantone, Unternehmen und Branchen wenden. Die Stelle wird von André Duvillard geleitet, dem ehemaligen Delegierten des Sicherheitsverbundes Schweiz. Erst im Mai hatte Duvillard angekündigt, sein Amt abzugegeben.

Der Bundesrat begründet seinen Entscheid mit den Erfahrungen aus der Pandemie: Diese habe gezeigt, wie wichtig es sei, die verschiedenen Akteure frühzeitig einzubeziehen, betonte Parmelin. Der Bundesrat kommt damit auch einem Wunsch der Kantone nach. Bestehen bleibt auch die Hotline für die Bevölkerung und die Wirtschaft.

An den Kragen geht es Schwimmbädern und Wellness

Wie er einer Gas- und Strommangellage vorbeugen und begegnen will, hatte der Bundesrat bereits Ende August skizziert. Vage sind die Pläne beim Stromsparen. Anders schaut es für den Fall einer Gasmangellage aus. Die Landesregierung schlägt ein vierstufiges Vorgehen vor.

Einschränkungen beim Gasverbrauch und Verbote werden erst auf der dritten Stufe gezündet – also wenn Sparappelle und die Umstellung von Gas auf Öl bei Zweitstoffanlagen nicht gefruchtet haben. Konkret dürfen dann Häuser mit Gasheizungen nur auf 19 Grad geheizt werden. Bei Boilern, die mit Gas betrieben werden, dürfte das Wasser nur noch auf 60 Grad erwärmt werden.

Betroffen von einem Verbot wären in erster Linie der Freizeit- und Wellnessbereich. Leerstehende Ferienhäuser und -appartements dürften nicht mehr mit Gas beheizt werden, sofern nicht Frost oder Feuchtigkeitsschäden entstehen. Auch Schwimmbäder, Wellnessbecken, Dampfbäder und Saunen sowie Heizstrahler, Gasgrills und Warmluftzelte würde der Gashahn abgedreht.

Kontingentierung als «ultima ratio»

Als «ultima ratio» könnte der Bundesrat zu einer Kontingentierung greifen. Davon ausgenommen wären nur sogenannten «geschützte Kunden»: Diese umfassen Privathaushalte, Spitäler, Alters- und Pflegeheime, Polizei und Feuerwehr, Betriebe zur Sicherstellung der Trinkwasserversorgung, der Energieversorgung, der Abwasserreinigung und der Abfallentsorgung und Betreiber von Weichenheizungen auf dem nationalen Schienennetz.

Wie der Bundesrat versichert, käme eine Kontingentierung erst im Falle einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehenden schweren Mangellage zum Einsatz. «Es werden immer nur die Massnahmen in Kraft gesetzt, die absolut nötig sind», hatte Parmelin im August erklärt. Die definitive Strategie wird der Bundesrat schon bald präsentieren. An den meisten Vorschlägen dürfte er festhalten. In der Konsultation gab es wenig Kritik.