Leserbriefe
Krieg und seine Folgen für unsere Neutralität

Zum Krieg in der Ukraine und zur Diskussion über die Neutralität der Schweiz

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Stellen Sie sich das Unvorstellbare vor, eine Fiktion: Italien hätte sich von Europa abgekoppelt und ein grössenwahnsinniger römischer Diktator will das historische Römische Reich wiederauferstehen lassen. Vor einem Jahr wurde die Schweiz durch die römische Armee angegriffen. Ein Überfall auf die Hauptstadt Bern konnte abgewehrt werden, die Luftlandung auf dem Flugplatz Bern-Belp scheiterte. Die südlichen, italienisch sprechenden Täler der Schweiz gehören aber nun zum Römischen Reich. Rom will die Menschen dort durch einen Angriffskrieg vor der eidgenössischen Unterdrückung befreien, verkündet die Propaganda.

Nun, ein Jahr später, tobt der Krieg so heftig wie nie zuvor. Chiasso, Mendrisio und Lugano sind fast vollständig zerstört und besetzt. Locarno wird jede Nacht durch Marschflugkörper und Drohnen terrorisiert. Der Bahnhof, das Spital, die Altstadt sind zerstört, der Staudamm im Verzascatal wurde bombardiert. Es fehlt an Wasser und Strom. Viele Menschen sind nach Norden geflohen. Die Schweizer Armee kämpft am Monte Ceneri und am Westufer des Lago Maggiore und fügt den Angreifern schwere Verluste zu. Aber auch die eigenen Truppen zählen jeden Tag viele Tote. Nach vielen Monaten Krieg wird die Munition knapp, es fehlt an weitreichender Raketenartillerie. Die Schweiz bittet Österreich um Munitionsnachschub für die Fliegerabwehrkanonen, welche sie seinerzeit verkauft hat. Österreich lehnt mit Verweis auf seine Neutralität ab. Deutschland antwortet, die Schweiz habe während des Ukrainekrieges auch nicht geliefert. Frankreich sagt, die Schweiz sei nicht Mitglied der Nato, es gelte keine Beistandspflicht. Doch habe das Römische Reich einst ganz Gallien unterworfen und eine Ausweitung des Krieges in Europa müsse verhindert werden. Frankreich stellt Munitionslieferungen in Aussicht. Irreal? Ersetzen Sie die Römer durch die Russische Föderation, die Schweiz durch die Ukraine und die Ortsnamen durch ukrainische.

Bruno Amrhein, Einwohnerrat GLP, Kriens


Es ist bedenklich, dass einige Damen und Herren im Parlament zur Lieferung von Kriegsmaterial mittels einer Sonderbewilligung bereit wären. Es sollen von der Schweiz keine Waffen an Krieg führende Länder geliefert werden – auch nicht auf dem Schleichweg.

Die Neutralität würde durchlöchert. Wir Schweizer wären nicht mehr glaubwürdig und würden nicht mehr ernst genommen. Besonders die SVP, welche sich Neutralität und Eigenverantwortung auf die Fahne schreibt, sollte sich wehren. Die Schweiz ist ein neutraler Partner und soll es auch in Zukunft bleiben. Wir müssen Hand bieten für Friedensgespräche, um Streitigkeiten zwischen zerstrittenen Regierungen zu lösen. Im Sinne vieler Bürgerinnen und Bürger erwarte ich, dass sich das Parlament und der Bundesrat dazu entscheiden, keine Waffen zu liefern, denn unsere Neutralität steht auf dem Spiel.

Josef Bossard, Geiss