Sportredaktor Marcel Kuchta erzählt von den längst vergangenen glorreichen Tagen der Schweizer Skination und wie sie das damalige Familienleben geprägt haben.
Eigentlich sollte in dieser Kolumne ja vorausgeschaut werden. In dieser Woche nehme ich zwei anstehende sportliche Highlights – die erst heute (hoffentlich) stattfindende Lauberhorn-Abfahrt und den am kommenden Samstag geplanten Höllenritt auf der «Streif» in Kitzbühel – ausnahmsweise zum Anlass für einen Ausflug in die Vergangenheit.
In den 1980er- und den 1990er-Jahren, da war die Schweiz noch eine mächtige Skination – richtig mächtig, mit Platz eins im Nationenklassement und so. Die älteren Leserinnen und Leser unter Ihnen werden sich sicher noch mit Wonne an die glorreichen Zeiten mit Peter Müller, Pirmin Zurbriggen, Franz Heinzer, Daniel Mahrer und wie sie alle heissen, erinnern. Damals, ja damals, war ein Spitzenplatz in jeder Männerabfahrt garantiert. Es ging eigentlich nur darum, wie viele Schweizer den Sprung in die Top Ten schaffen. Fünf waren es mindestens im Schnitt, oft hatte man das Gefühl, man schaue bei Schweizer Meisterschaften mit internationaler Beteiligung zu.
Auf jeden Fall war damals jede Männerabfahrt ein absolutes Highlight im persönlichen Wochenprogramm, welches man auf keinen Fall verpassen durfte. Und das war nicht einfach. Vor gut 30 Jahren hatten wir armen Schüler noch nicht das Privileg des schulfreien Samstags. Das hiess dann immer: maximaler Stress zur Mittagszeit. Schulsack packen und dann im Tempo des gehetzten Affen nach Hause sprinten. In der Regel reichte das just, um den Start des ersten Fahrers mitzuerleben.
Diese Abfahrtsrennen waren übrigens die einzigen und exklusiven Gelegenheiten, um das heilige Zmittagessen gemeinsam vor dem laufenden Fernseher einnehmen zu dürfen. Als Familienvater würde man heutzutage ja nichts lieber tun, als diese damals so lieb gewonnene Tradition an die eigenen Kinder zu überliefern – wie auch schlechte Angewohnheiten. Zum Beispiel bei jedem Österreicher lauthals «los, stürzen!» Richtung TV rufen. Aber ich gestehe: Ich habe in diesem Winter wirklich noch kein einziges Skirennen angeschaut. Heute werde ich versuchen, mir das Spektakel am Lauberhorn zu Gemüte zu führen. Kitzbühel möchte ich eigentlich auch gucken. Aber würde ich alles stehen und liegen lassen, um die Rennen nicht zu verpassen? Nein, Tempi passati. Leider.