«Jung & Alt»-Kolumne
Sind Gendersternchen literarisch unbrauchbar?

In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 77, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 27. Diese Woche schreibt Zaugg über alte Männer, und wie sie die Sprache verschandeln.

Samantha Zaugg
Samantha Zaugg
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Evergreen im Feuilleton: Wandel der Sprache wird hier immer wieder verhandelt.

Evergreen im Feuilleton: Wandel der Sprache wird hier immer wieder verhandelt.

Keystone/Christian Beutler

Lieber Ludwig

Was für ein guter Schwank! Dass du Tiroler werden wolltest, ohne überhaupt zu wissen, was das ist. Ich habe sehr gelacht. Dennoch ist mir nicht entgangen, wie du mein Argument untergraben wolltest. Fast ein bisschen albern. Denn wenn du als Knabe beschliesst, Tiroler zu sein, ist das was anderes, als wenn diskriminierte Gruppen Selbstbezeichnungen etablieren. An dieser Stelle könnte man sich lustig machen über Tiroler oder Luzerner als diskriminierte Gruppen. Ein Witz über Dialekte drängt sich schon fast auf. Aber ich lass es, das ist mir zu eindimensional.

Stattdessen mach ich lieber ein Beispiel. Es gibt ja den Begriff PoC, Person of Color. Das ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die aufgrund äusserer Merkmale, etwa Hautfarbe, rassistische Diskriminierung erfahren. Ist zwar eine sperrige Abkürzung, erst noch auf Englisch. Aber für viele Menschen, die rassistisch diskriminiert werden, ist es relevant, dass es diese Bezeichnung gibt. Darum find ich, man kann ja mal damit fahren. Muss man nicht so eng sehen.

Aber es gibt da ein interessantes Phänomen. Es gibt Leute, die vertreten den Standpunkt, dass solche Begriffe die deutsche Sprache verschandeln. Oder den Lesefluss stören. Lustigerweise sind das die gleichen Leute, die im Feuilleton Sachen schreiben wie: «Die spielerische Praxis des Künstlers oszilliert zwischen einer eigenen Ästhetik und stereotyper Merkmale im visuellen Diskurs beziehungsorientierter Malerei und erforscht somit den Handlungsspielraum ephemerer Narrative.» Sätze also, die quasi die Definition von gestörtem Lesefluss sind.

Oder es gibt den Franz Hohler. Er sagt, das Gendersternchen sei literarisch unbrauchbar. Wir erinnern uns, das ist der gleiche Mann, der Sachen schreibt wie: «Es Totemügerli! U nid nume eis, nei, zwöi, drü, vier, füüf, es ganzes Schoossiniong voll si da desumegschläberlert u hei zängbigerlet u globofzgerlet i gschanghangizigerlifisionööggelet, das es eim richtig agschnäggelet het.» Der Vergleich mit dem Totenmügerli ist übrigens nicht von mir, sondern von Olivier Samter, Illustrator aus Zürich. Grüsse gehen raus.

Du siehst, wo ich hinziele, ja? Dieses selektive Sträuben unter Vorwänden wie Verständlichkeit oder literarischer Qualität ist auch ein Eingeständnis. Dass Sprache sehr wohl Realität schafft. Und deshalb auch als Werkzeug zur Selbstbestimmung taugt. Voilà, hätten wir das. Dabei wollte ich eigentlich über etwas anderes schreiben. Aber mir will einfach keine elegante Überleitung einfallen. Wie komme ich jetzt vom Wandel der Sprache zur Klitoris? Sei’s drum, jetzt hab ich’s ja schon gesagt.

Kennst du also das Konzept der Klitoris? Hab das Gefühl, das ist auch im weitesten Sinn ein Generationenthema. Soll ich’s dir erklären?

Samantha

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