Kommentar
Medienpaket: Die Mär von den staatsfernen Medien

Mediensubventionen haben in der Schweiz eine lange Tradition und Geschichte. Nach Schweizer Verständnis sind Staat und Medien aufeinander angewiesen. Deswegen sind sie sich aber nicht hörig.

Christian Mensch
Christian Mensch
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Vor dreissig Jahren unterstützte der Bund die Schweizer Presse mit jährlich rund 300 Millionen Franken. Diese waren allerdings nicht als Subventionen ausgewiesen, sondern mussten als ungedeckte Kosten von der Post getragen werden. Mit der Taxverbilligung hatte niemand ein Problem; sie beruhte auf einer schon damals 150-jährigen Tradition.

Die impliziten 300 Millionen schrumpften mittlerweile explizite 50 Millionen, die nun auf insgesamt 120 Millionen Franken aufgestockt werden sollen. Dies sieht eine von verschiedenen Massnahmen zur Medienförderung vor, über die im kommenden Monat abgestimmt wird. Doch der Beitrag scheint nun ein grundsätzliches Problem zu enthalten: Die Unabhängigkeit der Medien vom Staat sei in Gefahr, es drohe die Einmischung des Staates bei den Medien.

Über den Nutzen von Mediensubventionen lässt sich streiten wie über die konkrete Verteilung der Fördermittel. Doch die stipulierte Staatsferne beruht auf einem unreflektierten wie auf einem «unschweizerischen» Verständnis. Die Wissenschaft unterscheidet zwischen drei historischen Modellen, die das Verhältnis zwischen den Medien und dem Staat beschreiben.

  • Das «polarisierende Modell» wie es etwa Italien kennt, baut auf starke elektronische Medien und eine eher schwache, elitäre Presse. Die Verbindung der Medienschaffenden zu Parteien und industriellen Komplexen ist eng, die journalistische Autonomie eher gering.
  • Im «liberalen Modell», wie es in England und den USA vorherrscht, hat sich früh eine kommerzielle Massenpresse durchgesetzt. Die Verbindungen zum Staat sind eher gering, dessen Rolle ist limitiert.
  • Das «korporatistische Modell» prägt die skandinavische wie die Schweizer Medienlandschaft: Es basiert historisch auf einer starken Gesinnungspresse mit engen Verbindungen zwischen Politik und Medien. Diese werden als sozial wichtige Institutionen erachtet, verbunden mit einer starken Regulierung und Förderung.

Dass sich nun «polarisierende» Medien wie die «Weltwoche» oder «liberale» wie die NZZ gegen das Medienpaket aussprechen, wird durch die Wahl ihrer jeweiligen publizistischen Referenz zwar erklärbar. Dass sie jedoch ihre Positionen als besonders «schweizerisch» hervorzuheben versuchen, ist einfach falsch. Richtig ist allerdings, dass sich die Schweiz extrem schwertut, das gelebte korporatistische Modell rechtlich zu fundieren.

Seit den 1970er-Jahren starten regelmässig neue Versuche, die Medienförderung gesetzlich oder auf Verfassungsstufe zu verankern. Alle scheiterten damit, zuletzt Bundesrätin Doris Leuthard. Stattdessen schraubten und schrauben die Parlamentarier an der indirekten Förderung oder lassen über das Radio- und TV-Gesetz privaten Anbietern Gebührengelder zukommen. Daran hat nun auch die aktuelle Medienministerin Simonetta Sommaruga angeknüpft.

Was sich verändert hat, sind die Rahmenbedingungen. Bis vor gut zehn Jahren stand der Erhalt von «Vielfalt» im Vordergrund. Gerade durch die Kleinräumigkeit und die föderale Struktur der Schweiz sei sie besonders anspruchsvoll und teuer. Diese Schlacht ist verloren; der mediale Konzentrationsprozess ist bis auf wenige Ausnahmen abgeschlossen. Seit gut zehn Jahren gilt es deshalb, «Qualität» abzusichern oder zumindest Anreize zu schaffen, damit diese hochgehalten werde. Auch dieses Konzept scheint mittlerweile überholt. Denn problematisch ist weniger die Qualität der aktuellen Medienproduktion als vielmehr die Leerstellen: Was von den ausgedünnten Redaktionen eben nicht mehr abgebildet wird.

Das Medienpaket, wie es zur Abstimmung kommt, ist ein typisches Produkt des korporatistischen Modells: Im zähen politischen Prozess ausgehandelt bringt es zum Ausdruck, wie Staat und Medien eng verzahnt gegenseitig aufeinander angewiesen sind – ohne sich dabei hörig zu sein.