Kantonsratswahlen 2015
Was die Wahllisten über die Parteien aussagen

Am 12. April wird der Zürcher Kantonsrat gewählt: 13 verschiedene Parteien schicken insgesamt 1734 Kandidaten für die 180 Sitze ins Rennen. Die drei Grundregeln, wie die Listen zustande gekommen sind.

Oliver Graf
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Namen, Namen, Namen: Wie bei den Nationalratswahlen 2011 haben die Zürcher auch bei den Kantonsratswahlen die Qual der Wahl.

Namen, Namen, Namen: Wie bei den Nationalratswahlen 2011 haben die Zürcher auch bei den Kantonsratswahlen die Qual der Wahl.

Keystone

Die Bewährten

Die goldene Grundregel:

An die Spitze der Parteilisten gehören die bewährten Kräfte.

Bewährt, das sind die bisherigen Kantonsrätinnen und Kantonsräte. Mit dem Prädikat «bisher» signalisieren die Parteien: «Wir haben Erfahrung.» Weiter ausführen müssen sie dies nicht – auf dem Wahlzettel hat es ausser dem Zusatz «bisher» keinen Platz für eine Bilanz.

Aus diesem Grund treten Kantonsräte auch gern – oder auf das Drängen ihrer Partei auch leise murrend – vor dem Ende der Legislatur zurück. Ihr Nachfolger, der so noch während der laufenden Amtsperiode in den Rat nachrutscht, kann damit bei den Erneuerungswahlen den begehrten Zusatz «bisher» tragen.

159 der 180 Bisherigen treten am 12. April wieder an. Ausser in drei Fällen stehen alle diese bewährten Kräfte auf den Wahllisten erwartungsgemäss vor den 1578 neuen Kandidatinnen und Kandidaten.

Ausnahmen:

In Einzelfällen stellen taktische oder auch banale Gründe diese goldene Grundregel ausser Kraft.
So hat die SP im Stadtzürcher Wahlkreis II (Kreis 3 und 9) auf den ersten Listenplatz die junge Pia Ackermann gesetzt. Erst auf den Plätzen 2 und 3 folgen zwei Bisherige. Dazu haben wahltaktische Überlegungen geführt. Die langjährige SP-Kantonsrätin Emy Lalli tritt zurück.

Die Partei hofft nun, diesen freiwerdenden dritten Sitz halten zu können, indem Ackermann von der Spitze aus genügend Stimmen holt.

In der Stadt Winterthur sind bei den Grünen die beiden bisherigen Männer auf den Platz 1 und 3 gesetzt worden. Dazwischen, von Platz 2 aus, geht die neu antretende Renate Dürr ins Rennen. Das ist auf das parteipolitische Credo zurückzuführen, Listen in der Regel abwechselnd mit einer Kandidatin und einem Kandidaten zu füllen.

Die dritte und letzte Ausnahme der Bisherigen-Bevorzugungs-Regel findet sich bei der SVP im Bezirk Horgen: Dort steht die im Mai 2014 in den Kantonsrat nachgerückte Margrit Haller erst auf dem Listenplatz 11, was eine Wiederwahl schwer machen wird (die SVP stellt in diesem Wahlkreis derzeit vier Mitglieder). Haller ist erst kürzlich von der Stadt Zürich in den den Bezirk gezogen – für einen besseren Listenplatz dürften ihr am neuen Ort Bekanntheitsgrad und Vernetzung gefehlt haben.

Die Optimierung

Die silberne Grundregel:

Es kommt auf den Mix der Liste an, die Einzelperson spielt keine Rolle.

Es ist kein Geheimnis: Die grosse Mehrheit all derer, die in diesen Tagen an Bahnhöfen den Passanten Muntermacher in die Hand drücken oder an einem Markt Flugblätter verteilen, haben keine Wahlchancen. Dafür sprechen alleine schon die Zahlen: Es treten insgesamt 1734 Kandidaten an – bei nur 180 Sitzen gehören nach der Auszählung der Stimmen also 1554 zu den Nichtgewählten.

All diese Kandidaten sind für die Parteien aber dennoch wichtig. Sie sind keine Lückenfüller, sondern vielmehr Lückenhelfer; sie können zusätzliche Stimmen ergattern, die in der Schlussabrechnung den (bewährten) Kandidaten zur Wiederwahl verhelfen können.

Deshalb optimieren die Parteien ihre Wahllisten in den einzelnen Wahlkreisen. Hinter den Bisherigen (siehe goldene Grundregel) achten die Verantwortlichen auf einen ausgewogenen Mix. Dabei wird unter anderem eine ausgewogene geografische Verteilung der Kandidaten angestrebt, um aus möglichst vielen Gemeinden Stimmen zu erhalten.

Im Wahlkreis Dietikon treten beispielsweise sowohl bei der SVP und der FDP je elf Kandidaten an – diese stammen aus acht der elf verschiedenen Gemeinden.
Die weitere Gestaltung der Listen wird durch Faktoren wie unter anderem Geschlecht, Alter und Beruf beeinflusst, damit möglichst viele Stimmen generiert werden können.

Ausnahmen:

Die kleinen Parteien sind froh, wenn sie überhaupt eigene Listen einreichen können. Der Mix spielt keine Rolle.
Die BDP verfügt beispielsweise im Kanton Zürich über kein grosses Kandidatenfeld. Im Wahlkreis Dietikon tritt die Partei lediglich mit zwei Kandidaten an, die nicht im Limmattal verwurzelt sind, sondern in Uster und in Rudolfingen leben.

Insbesondere die weiteren Kleinparteien wie die Piraten und die AL treten in gewissen Wahlkreisen mit ortsfremden Kandidaten an, um dort wenigstens ein paar Stimmen für die Gesamtrechnung holen zu können.

Die Anschieber

Die bronzene Grundregel:

Stimmen, Stimmen, Stimmen!

Letztlich geht es am 12. April für die Parteien um eines: Stimmen zu erhaltne. Deshalb setzen die Verantwortlichen nicht nur auf eine allgemeine Optimierung ihrer gesamten Liste; sie setzen bewusst ein paar Lokomotiven ein, die von hinten Schub entwickeln sollen. Beliebt sind dafür eigentlich politische und andere Promis – allerdings sind sie bei den bevorstehenden Kantonsratswahlen nicht in sonderlich grosser Zahl anzutreffen.

Die AL schaffte es zu ein paar Medienauftritten, weil für sie im Wahlkreis Bülach überraschend der ehemalige Banker und Whistleblower Rudolf Elmer antritt. Immer wieder stehen auch Politiker auf den Listen, die sich eigentlich bereits aus dem kantonalen politischen Tagesgeschäft verabschiedet haben.

Bei den Grünen steht im Wahlkreis Pfäffikon beispielsweise Esther Hildebrand auf dem letzten Platz der Wahlliste; die frühere Kantonsratspräsidentin war im vergangenen Juni aus dem Rat ausgetreten. Und für die Grünliberalen steigt im Wahlkreis Uster Thomas Maier vom letzten Listenplatz ins Rennen; Maier war Ende 2011 bei seiner Wahl in den Nationalrat aus dem Kantonsrat ausgetreten.

Diese bewährten Kräfte verfügen noch immer über ein gewisses Renommee und einen Bekanntheitsgrad, die der Partei Sympathiestimmen einbringen kann.

Ausnahmen: Keine.