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Region (LiZ)
Zürich
Verurteilte Straftäter werden in Gefängnissen oft besser behandelt als Häftlinge in Untersuchungshaft - obwohl deren Schuld nicht einmal bewiesen ist. Im Kanton Zürich herrscht schweizweit eines der härtesten Regime.
Gestern morgen fand ein Aufseher in der Strafanstalt Pöschwies einen toten Häftling in dessen Zelle vor. Er hatte sich aus noch unbekannten Gründen erhängt. Freiheitsentzug, Scham für die begangene Tat, aber auch die Bedingungen in Gefängnissen können sich zunehmend belastend auf die Psyche von Inhaftierten auswirken.
Vor allem die Untersuchungshaft gerät immer wieder in den Fokus der Kritik. Obwohl Zweck, Gründe und Grenzen im Bundesrecht festgelegt sind, gibt es grosse kantonale Unterschiede. Im Kanton Zürich gilt das Regime als härter . Hier herrscht auch eine vergleichsweise hohe Suizidrate in Gefängnissen vor.
"Insbesondere die Kontakte zur Aussenwelt werden in den Zürcher Untersuchungsgefängnissen sehr stark eingeschränkt", beschrieb Thomas Maier, Mitglied der Nationalen Anti-Folter-Kommission, die Situation im Interview mit der "Limmattaler Zeitung". So gelte beispielsweise ein Telefonverbot, welches selbst auf Gespräche mit dem Anwalt zutrifft. Auch bestehe keine Möglichkeit, sich ausserhalb der Zelle zu beschäftigen und abzulenken. Die meisten Gefangenen seien 23 Stunden lang allein in einer Zelle untergebracht. Die Möglichkeit, Kontakt zu anderen Insassen aufzunehmen, werde verwehrt.
Auch die Ungewisstheit über die Dauer der Inhaftierung macht den Häftlingen zu schaffen. Während verurteilte Häftlinge täglich ausrechnen können, wie lange ihre Haft noch andauern wird, leben die Untersuchungshäftlinge in völliger Unwissenheit, wie oft die Staatsanwaltschaft eine Haftverlängerung beantragen wird.
«Eng, vielfach kalt, feucht, stinkig und spartanisch, oder besser gesagt menschenunwürdig, eingerichtet», sagt auch Rechtsanwalt Thomas Heeb gemäss "NZZ". Das Problem liege auch an der Beziehung zwischen Staatsanwaltschaft und Gerichten, welche er als zu eng bezeichnet. Es herrsche eine "Behördensolidarität" vor, bei welcher die grossen Bezirksgerichte die Haftfälle stiefmüttlerich behandeln. Zu wenig werden die Auswirkungen berücksichtigt, welche Untersuchungshaft auf Betroffene haben können. So können sie während der Inhaftierung ihre Arbeitsstelle verlieren, Lohnfortzahlungen werden gestoppt, sie können nichts mehr organisieren oder erledigen. "Das Leben ausserhalb der Mauern geht kaputt", beschreibt Heeb die Situation gemäss "NZZ".
Untersuchungshaft werde zu oft, zu schnell und vor allem zu lange angeordnet. Von wenigen Tagen bis zu zwei Jahren können Menschen in U-Haft kommen – selbst wenn sie unschuldig sind.