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Region (LiZ)
Zürich
Die Menge an Bauabfall im Kanton Zürich steigt jedes Jahr um drei Tonnen pro Kopf an. Aber er wird auch immer besser genutzt und getrennt. Jedoch nicht immer ganz freiwillig.
Drei Tonnen: So viel Abfall fällt im Kanton Zürich pro Kopf und Jahr an. Die Hälfte davon stammt von Baustellen. In den letzten zehn Jahren hat sich diese Menge verdoppelt, und sie nimmt weiter zu. Die Bevölkerung wächst, es braucht mehr Wohnbauten. Und von den bestehenden Gebäuden ist die Hälfte mindestens 40 Jahre alt, muss also bald saniert oder ersetzt werden. «Somit wird in den nächsten Jahren noch mehr Rückbaumaterial anfallen», sagt der Zürcher Baudirektor Markus Kägi (SVP).
Das Problem dabei ist: In vielen dieser Bauten und Böden steckt belastetes Material. Das Gute: Sie enthalten auch eine grosse Menge an Wertstoffen. «Immer wieder hören wir, dass die Schweiz ein rohstoffarmes Land sei», sagt Kägi. «Das stimmt, wenn wir von Gold, Erz und Kohle sprechen, aber nicht, wenn man an unsere Siedlungen denkt.»
In den vergangenen Jahrzehnten sind in den Schweizer Gebäuden gewaltige Mengen an wertvollen Rohmaterialien verbaut worden. «Allein der Kanton Zürich ist mittlerweile reicher an edlen Metallen als manches Abbaugebiet in fernen Ländern», sagt Kägi bei der Präsentation des neuen Massnahmenplans für Abfall- und Ressourcenwirtschaft.
Diese wertvollen Rohstoffe gibt es aber nicht gratis. Sie müssen beim Häuserrückbau mühsam herausgeschält und sortiert werden. Das Stichwort heisst Urban Mining. Oder wie Kägi sagt: Bergbau im Siedlungsgebiet. Wie das funktioniert, erklärte seine Baudirektion gestern den Medien auf einem Bauplatz zwischen dem Zürcher Fernsehstudio und dem Glattpark in Opfikon.
Dort, wo ein neues Schulungszentrum für Schutz&Rettung Zürich entsteht, sind derzeit Bauarbeiter daran, die alten Gebäudeteile zurückzubauen. Während früher eine Abrissbirne in die Gemäuer gedonnert wäre und ein Trax alles plattgewalzt hätte, frisst sich nun das Maul eines Baggers durch die Decke und spuckt Beton und Armierungseisen zu Boden. Metall, mineralische Stoffe, Holz, Stein, Kabel und Elektroteile: Alles wird noch vor Ort getrennt – manches von Hand.
Das kostet Zeit und Geld. Drei Monate dauert der Rückbau. «Doch es lohnt sich – ökologisch wie ökonomisch», sagt Daniel Thrier, Geschäftsführer der Piatti+Bürgin Bau AG. 90 Prozent des Materials kann durch dieses sorgfältige Zerlegen wiederverwendet werden. Es in einer zentralen Entsorgungsstelle sortieren zu lassen, wäre alles in allem aufwendiger und teurer.
Diese Arbeit machen die Bauherren aber nicht nur freiwillig. Der Bundesrat hat festgelegt, dass bei Rückbauten ein Entsorgungskonzept vorzulegen ist. Dieses erfordert bei älteren Bauten eine qualifizierte Schadstoffabklärung. Zudem müssen die Unternehmer aufzeigen, wie die Materialien wiederverwertet werden.
Seit drei Jahren sind sie im Kanton Zürich verpflichtet, ein solches Entsorgungskonzept einzureichen. Es ist Bestandteil der Baubewilligung. Damit diese schnell erfolgt und die kommunalen Bauverwaltungen entlastet werden, hat das Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel) in diesem Jahr die Private Kontrolle eingeführt. Private Fachpersonen begleiten den Rückbau und bestätigen der Behörde, dass alles korrekt entsorgt wurde.
Weiter hat sich der Kanton dazu verpflichtet, bei eigenen Vorhaben nach Möglichkeit Bauprodukte aus Rückbaustoffen einzusetzen. Zudem will er die Akzeptanz von Recyclingprodukten erhöhen und darauf hinwirken, dass bereits beim Bau von Häusern daran gedacht wird, wie sich dieses am Ende seiner Lebensdauer möglichst einfach, sortenrein und schadstofffrei in seine wertvollen Einzelteile zerlegen lässt.
In seinem neusten Massnahmenplan setzt das Awel aber nicht nur bei den Rückbauten einen Schwerpunkt. Es will auch mit Schadstoffen belastete Böden besser verwerten und aus Klärschlamm noch mehr Phosphor gewinnen. Denn auch das ist ein Rohstoff, der heute weitgehend importiert wird, obwohl er in grossen Mengen in unserem Siedlungsgebiet vorhanden ist.