Zürich
Der Heimatschutz bezieht seine neue Heimat in der Villa Patumbah

Als gestern der Schweizer Heimatschutz als neuer Mieter den Schlüssel von der Besitzerin, der Stiftung Patumbah entgegennahm, endete feierlich, was während Jahren Kopfzerbrechen, Wut, Verzweiflung und vor allem viel Arbeit bereitet hatte.

Michael Rüegg
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Villa Patumbah
7 Bilder
Freigelegte Malereien
Ostasiatischer Tempel im 1. und 2. Geschoss

Villa Patumbah

Keystone

Wir schreiben das Jahr 1883. Riesbach ist eine kleine Vorortgemeinde Zürichs. Der Bäckersohn Karl Fürchtegott Grob kauft einen stattlichen Blätz Land und will sich dort eine Villa bauen lassen. Geld spielt keine Rolle, denn Grob hat im fernen Sumatra als Besitzer von Tabakplantagen ein unanständig grosses Vermögen gescheffelt. Zurück in Zürich, will er der Stadt zeigen, dass aus dem Niederdorf-Buben von einst ein wichtiger Mann geworden ist. Mit der Prunkvilla, die 1885 fertiggestellt ist, kann er der Stadt diese Botschaft übermitteln.

30 000 Stunden restauriert

Dass die Villa heute nicht nur begehbar ist, sondern im Glanz von damals erstrahlt, ist unzähligen Beteiligten und an vorderster Front den fünf Restauratoren zu verdanken, die in 30 000 Arbeitsstunden die Renovationssünden früherer Generationen weitgehend haben verschwinden lassen. Als gestern der Schweizer Heimatschutz als neuer Mieter den Schlüssel von der Besitzerin, der Stiftung Patumbah entgegennahm, endete feierlich, was während Jahren Kopfzerbrechen, Wut, Verzweiflung und vor allem viel Arbeit bereitet hatte.

Unter Schichten von angegrauter Farbe entdeckten die Restauratoren und der Denkmalschutz unzählige detailreiche Wand- und Deckenmalereien. Sie rissen Linoleum-Böden heraus und fanden darunter Mosaikparkett aus Hölzern jeglicher Provenienz. Die Stuckaturen an den Decken und der Reichtum an Holzverzierungen dürften in der Schweiz ihresgleichen suchen. Einen «Ort der Sehnsucht» nennt Karin Artho das Meisterwerk des Modernismus.

Die Heimatschutz-Mitarbeiterin wird in der Villa Patumbah das neue Zentrum für Baukultur leiden, das sie in den nächsten Monaten einrichten wird. Sie zeigt das Herrenzimmer im Renaissance-Stil, das Damenzimmer in üppigem Rokoko. Dazwischen der Esssaal mit seiner gotischen Decke.

Die damaligen Architekten scheinen sich bei so ziemlich jedem Baustil bedient zu haben, der ihnen bekannt war. Im ersten und zweiten Stock liess sich Bauherr Grob einen asiatischen Tempel bauen. Man wähnt sich in einem südostasiatischen Herrenhaus, ein Guckloch aus dem Parterre gibt den Blick frei auf vier Drachen in der Mitte der reich verzierten Glaskuppel über dem Dach. Medizin gegen das Fernweh des aus Asien zurückgekehrten Grob.

Abbruch verhindert

Dass die Villa noch steht und nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ist keine Selbstverständlichkeit. 1976 wollte die damalige Besitzerin, das Diakoniewerk Neumünster, die Villa abreissen und durch einen Neubau ersetzen lassen. Anfang der Achtzigerjahre formierte sich Widerstand, eine Volksinitiative zur Freihaltung des Parks wurde lanciert und deutlich angenommen. 1995 gründeten Freunde des Parks eine Stiftung, die für dessen Erhaltung kämpfte.

2001 legte eine Investorin Pläne für Neubauten am Parkrand vor, der Grossteil der Grünfläche konnte damit erhalten bleiben. Nachdem die Stiftung ihren Zweck, nämlich den Erhalt des Parks, erfüllt hatte, wandte sie sich der maroden Villa zu. Subventionen und ein Darlehen der Stadt ermöglichten es 2006, die geschichtsträchtige Immobilie in den Besitz der Stiftung zu überführen - die mit dem Schweizer Heimatschutz schon bald einen für sie passenden Mieter fand.

Gottschalk als Tiefpunkt

Massgeblichen Anteil am Schicksal der Villa Patumbah hatte übrigens alt Stadtrat Martin Vollenwyder. Einst sollte er einen Käufer für das Objekt finden. Den emotionalen Tiefpunkt in diesem Prozess sei eine Sitzung im Hotel Baur au Lac gewesen. Zusammen mit dem damaligen Stadtpräsidenten Elmar Ledergerber traf er dort einen Kaufinteressenten: den deutschen Talkmaster Thomas Gottschalk. «Ausser ‹Grüezi› und ‹Adieu› haben wir nichts gesagt, er hat uns eine Stunde lang vollgelabert.» Doch Gottschalk träumte von hohen Hecken und Privatsphäre. «Am Ende habe ich gesagt: Wetten, dass er die Villa nicht nimmt?», so Vollenwyder.

Dass nun der Schweizer Heimatschutz das ganze Gebäude mietet, bezeichnen alle Beteiligten als Glücksfall. In den oberen beiden Stockwerken wird der Verband seine Büros einrichten, die unteren beiden Etagen dienen dem erwähnten Zentrum für Baukultur. Eine Dauerausstellung will den Besuchern das Thema näherbringen. Und ein als Hausgeist verkleideter Schauspieler soll auf Führungen gerade auch Kinder auf die Spuren der Geheimnis der Märchenvilla führen.