«2020: Obscene» heisst die neue Ausstellung von Alexandra Bachzetsis im Kunsthaus Zürich. Die Zürcher Künstlerin erkundet darin Körperkult zwischen Exzess und Intimität. Entstanden ist ihre Videoinstallation aus der Lockdown-Erfahrung.
Mit einer imaginären Knarre zielt die Künstlerin auf den Betrachter. Kurz darauf räkelt sich nebenan eine Frau im Rotlicht auf Treppenstufen. Gegenüber ist ein Mann mit nichts als einem Handtuch um die Hüften zu sehen. Macht er Fitnesstraining oder Sexübungen? Der erigierte Penis, der später ins Bild kommt, verweist auf Letzteres.
«2020: Obscene» lautet der Titel einer neuen Ausstellung im Kunsthaus Zürich. Sie zeigt eine Videoinstallation der Zürcher Künstlerin und Choreografin Alexandra Bachzetsis, aus der die eingangs geschilderten Szenen stammen. Über drei Wände flimmern Bilder von menschlichen Körpern. Es sind Bilder des Körperkults, der Intimität, aber auch der Isolation. Mal zitieren sie eine Porno-Ästhetik, in der Sex Leistungssport ähnelt. Mal stellen sie Verletzlichkeit und Einsamkeit dar. Mal verweisen sie auf den Tod. Etwa dann, wenn die Hauptdarstellerin sich rittlings auf einen Haufen scheinbar lebloser Körper setzt.
Und mittendrin steht oder sitzt die Betrachterin, der Betrachter. Bewegt man sich durch den Raum, fällt der eigene Schatten auf die Videoprojektion und wird Teil davon. Zumal der Raum mit den Farben Rot, Gelb und Blau und der Sitztreppe gleich gestaltet ist wie jener in den drei Videos. Wir sind alle Darsteller in diesem Film.
Eine Dreiviertelstunde dauern die parallel laufenden, musikalisch untermalten drei Filmsequenzen. Die Idee dazu sei im Corona-Lockdown entstanden, steht beim Eingang an der Wand. Die Künstlerin erklärt im Gespräch bei der Ausstellungsvorbesichtigung, wie sie diesen erlebte: «In meinem Beruf war alles abgesagt. Es war eine enorme Stagnation – eigentlich die Antithese zu meinem Beruf.»
Doch Alexandra Bachzetsis wollte sich damit nicht abfinden. Sie erklärte ihr Studio beim Zürcher Lochergut zum «Open Studio», in dem offene Performance-Sessions stattfanden. So entstand gleichsam das Rohmaterial für «2020: Obscene». Nach eineinhalb Jahren begann sie zu filmen, nun mit langjährigen Performance-Partnerinnen und Partnern.
Das daraus entstandene Werk ist jetzt im Kunsthaus zu sehen, bis 1. Mai als Videoinstallation und am 1. und 2. April abends auch als Live-Performance. Neben verschiedenen Formen des physischen Körperkults spiegelt es auch dessen Repräsentation im Film wider. Nämlich dann, wenn die Darstellerinnen und Darsteller im Video mitsamt einer sie filmenden Kamera zu sehen sind.
Man fühlt sich an Friedrich Dürrenmatts Wort vom Beobachten des Beobachters der Beobachter erinnert. Oder etwas pandemie-zeitgemässer: An das Betrachten von Selbstinszenierungen vor laufender Kamera, sei es in Videokonferenzen, sei es auf Social Media.
Anders gesagt: Mit «2020: Obscene» gelingt es der 47-jährigen Künstlerin, ein Stück Gegenwart vielschichtig zu reflektieren. Und aus den Bildern der Isolation, des eingeschlossen Menschseins in einen Raum mit vier Wänden, entsteht gleichzeitig eine Sehnsucht nach Leben.
«2020: Obscene», Kunsthaus Zürich, bis 1. Mai. Live-Performances dazu finden am 1. und 2. April um 20.30 Uhr im Vortragssaal des Kunsthauses statt.