Holzspäne statt Wasserspülung: Die Stadt Zürich setzt vermehrt auf Komposttoiletten im öffentlichen Raum. Im April begann ein Pilotversuch, im Juli kommen neun weitere Standorte hinzu. Die Limmattaler Zeitung testete die Kompotois.
Seit April führt die Stadt Zürich einen Pilotversuch mit Komposttoiletten durch. Das sind öffentliche WCs, die nicht an die Kanalisation angeschlossen sind. Der «humane Output», wie es in der Gebrauchsanleitung der sogenannten Kompotois heisst, wird nicht weggespült, sondern vom Benützer mit Holzspänen bestreut – und kompostiert. «Die Holzhäuschen erfreuen nicht nur die Umwelt, sondern auch die Nutzenden», heisst es in einer gestern veröffentlichten Medienmitteilung der Stadt Zürich. Die Stadt baue den Pilotversuch nun aus. Zu den bisher acht Kompotoi-Standorten kommen im Juli neun weitere hinzu. Die über 100 Rückmeldungen aus der Bevölkerung seien durchweg positiv. Herausrücken wollte die Stadt das Dokument mit allen Rückmeldungen auf Anfrage allerdings nicht. Also auf zum Komposttoilettentest.
Ich öffne die Tür des Holzhäuschens auf dem Kanzleiareal im Stadtkreis 4. Stechender Uringestank steigt mir in die Nase. Auf dem Boden liegen Zeitungen, Petflaschen, zerknülltes WC-Papier und Sägespäne. Als Wandschmuck dienen Sprayereien. Im Häuschen ist es gefühlt doppelt so heiss wie draussen. Es steht in der prallen Mittagssonne. Fazit: Zum Glück muss ich hier gerade kein grosses Geschäft verrichten.
Um den Kompost-WC-Test etwas auszuweiten, radle ich zum nächsten Standort. Er befindet sich vor dem Denner an der Langstrasse. Ein paar Männer sitzen auf Parkbänken und trinken Dosenbier. Ich mache mich auf das Schlimmste gefasst, als ich die WC-Tür öffne. Doch diesmal ist es angenehmer: Kein stechender Gestank liegt in der Luft. Dominant ist eher der Geruch von Holzspänen, grundiert mit einer dezenten Kloakennote. Das Häuschen ist ziemlich sauber. Und: Es steht im Schatten eines Baumes. Die Raumtemperatur ist erträglich. Hier liesse es sich aushalten, bei Bedarf.
Insgesamt 107 öffentliche WC-Anlagen hat die Stadt Zürich derzeit. Alle vier Jahre sind Investitionen von insgesamt bis zu zwei Millionen Franken in deren Ausbau und Erneuerung geplant, heisst es im 270-seitigen Masterplan Züri-WC. Für fest installierte Toiletten sind dabei jeweils fünf- oder sechsstellige Beträge eingeplant.
In den letzten Jahren wurden die im Masterplan vorgesehenen WC-Investitionen aber jeweils deutlich unterschritten, wie Urs Brunner, Leiter Züri-WC, auf Anfrage sagt: «Man baut nur noch dort, wo es wirklich nötig ist.»
Im Durchschnitt kosten die mobilen Komposttoiletten die Stadt Zürich 800 Franken Monatsmiete. Zum Vergleich: Für den Bau einer fix installierten WC-Anlage gibt die Stadt jeweils fünf- bis sechsstellige Beträge aus.
Mit den mobilen Komposttoiletten solle das WC-Angebot im Sommer, wenn mehr Leute draussen sind, gezielt erweitert werden, so die Idee hinter dem Pilotversuch. Nachdem von bisher 140 eingegangenen Rückmeldungen keine einzige negativ gewesen sei, nimmt Brunner an, dass dieses Geschäftsmodell in Zukunft weiterhin zum Einsatz kommen dürfte. Der Pilotversuch dauert bis Ende September. Danach wird entschieden, wie es weitergeht. «An Orten, die im Winter häufig genutzt werden, wäre auch ein Ganzjahresbetrieb möglich», sagt Brunner.
Pro Komposttoilette bezahle die Stadt Zürich im Durchschnitt 800 Franken Monatsmiete. Darin inbegriffen sei der Unterhalt durch die Firma Kompotoi, die die WCs herstelle und vermiete. Brunner spricht von einem «preiswerten Angebot» und verweist auf die fünf- bis sechsstelligen Beträge, die die Stadt Zürich sonst für den Bau fix installierter WCs ausgebe.
Die Komposttoiletten werden laut Brunner je nach Standort unterschiedlich oft geleert und gereinigt; an intensiv genutzten Lagen wie der Langstrasse täglich, an anderen zweimal wöchentlich. Genaue Zahlen zur Nutzung liegen nicht vor, doch Brunner geht davon aus, dass die Komposttoilette an der Langstrasse sicher 150 mal pro Tag benutzt werde. Bis zu 200 Nutzungen seien möglich, ohne dass es stinke – sofern genug Sägemehl eingestreut werde.
Ich fahre weiter zu meiner dritten und letzten Teststation, dem Kompotoi auf dem Kasernenareal. Auch hier ist die Luft angenehm holzig, die Sauberkeit ansprechend – und das Häuschen liegt am Mittag komplett im Schatten. Ich wage den Stuhlgang, setze mich auf die Bambus-Klobrille. Zwei Fliegen umschwirren meine Beine. Nachdem ich meinen humanen Output auf den Haufen aus Holzspänen, WC-Papier und mehr humanem Output deponiert habe, schaufle ich Holzspäne darauf, wasche meine Hände mit einem Sprutz Desinfektionsmittel und verlasse das Haus. Erleichtert.