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Region (LiZ)
Limmattal
Superfood kommt von weit her und soll besonders gesund sein. Dabei verweisen Ernährungs-Experten auf regionale Alternativen, die ökologischer sind und über ähnliche Nährstoffwerte verfügen.
Das Superfood-Sortiment ist um einen Fruchtsaft reicher. Das Zürcher Start-up «Baobab-Power» importiert frischen Affenbrotbaumsaft aus Gambia, dem kleinsten Staat Afrikas. Dort gilt der Baobab, zu Deutsch auch Affenbrotbaum genannt, als Symbol des Lebens, weshalb er auch «Lebensbaum» genannt wird.
Weil dem Gewächs, das bis zu Zweitausend Jahre alt werden kann, sogar medizinische Kräfte nachgesagt werden, heisst er zudem «Apothekerbaum». Früchte, Fruchtpulver, Samen und Blätter des Baobabs sollen bei Infektionskrankheiten wie Malaria und Pocken, bei Asthma, Fieber, Zahnschmerzen sowie Entzündungen des Magen-Darm-Traktes helfen. Zudem sind die Samen der Baobab-Frucht beliebtes Arzneimittel zur Stärkung des Herzens und der Leber.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Lina Giusto.
Aber auch Blüten, Rindenstücke und Wurzeln werden heilende Kräfte zugeschrieben. Baobab-Blütenextrakte sollen laut diversen Ernährungsratgeber bei Arthrose und Arthritis helfen. Mit all diesen Vorzügen wirbt das Zürcher Start-up für seinen Super-Saft. Es gibt aber auch kritische Stimmen zum Import von Superfood. Diese verweisen auf regionale Lebensmittel, die keine langen Transportwege hinter sich haben.
Die Früchte des Baums sind länglich, oval und hängen an langen Stielen herunter. Reif ist sie erst, wenn sie vollständig getrocknet ist. Dieser Prozess kann bis zu sechs Monate dauern. Bis ein Affenbrotbaum erste Früchte trägt, können mehrere Jahrzehnte vergehen. Während die durch das Fruchtfleisch führenden Fasern zu Seilen und Stricken verarbeitet werden, wird das Fruchtfleisch zu Pulver gestampft.
In Zeiten der ernährungsbewussten und gesunden Ernährung, trifft das Start-up von Sarah Diack einen gesellschaftlichen Nerv. Deshalb verkauft die ursprünglich im Oktober in Baden gegründete Jungfirma neben dem Fruchtpulver auch kalt gepresstes Baobab-Öl sowie darauf basierende Kosmetikprodukte. «Die Nachfrage war so gross, dass wir drei Tage nach der Lancierung bereits ausverkauft waren», sagt Diack.
Eine mögliche Erklärung für das grosse Interesse am afrikanischen Fruchtpulver liefern dessen Inhaltsstoffe: Die Frucht des Affenbrotbaums hat besonders viele Antioxidantien, die körperliche Zellen vor freien Radikalen schützen. Dabei handelt es sich um sauerstoffartige Moleküle, die oft für Gesundheitsbeschwerden verantwortlich sind. Das Baobabfleisch enthält 10 Mal mehr Vitamin C als Orangen, doppelt so viel Kalzium wie Milch, mehr Eisen als Rindfleisch und gilt als guter Lieferant von Kalium, Magnesium und Zink. Zudem besteht es zu 50 Prozent aus Ballaststoffen. Auch eine verjüngende Wirkung wird der Super-Frucht nachgesagt. Das Baobab-Öl soll das Hautgewebe regenerieren und ihr damit mehr Spannkraft und Elastizität verleihen.
Tatsächlich soll der Vitamin-C-Gehalt des trockenen Fruchtfleisches laut Stéphanie Bieler, Leiterin von Nutrinfo, dem Informationsdienst für Ernährungsfragen der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE, gemäss verschiedenen verlässlich scheinenden Publikationen relativ hoch sein. Während Baobab auf 100 Gramm zwischen 280 und 360 Milligramm Vitamin C aufweise, enthalten 100 Gramm Schwarze Johannisbeeren rund 200 Milligramm Vitamin C, 100 Gramm gekochte rote Peperoni rund 185 Milligramm. Davon dass die Baobab-Frucht, trotz all dieser Angaben, kein Lebensmittel ist, dass Superkräfte besitzt, ist Bieler überzeugt: «Es stellt sich die Frage wie viel des ursprünglichen Vitamin C in den auf dem Schweizer Markt erhältlichen Produkten denn überhaupt noch enthalten ist. Denn Vitamin C ist sehr sensibel.»
Diack zeigt sich von der Super-Frucht dennoch überzeugt, da als Basis für Getränke oder als Ernährungsergänzung das getrocknete Fruchtfleisch respektive das Pulver der Baobabfrucht verwendet werden. «In unserer Küche eignet sich das Pulver für Smoothies oder Müesli, aber auch, um Salatsaucen, Fruchtsalate, Suppen und Eintöpfe eine süsssaure Note zu verleihen», so Diack. Bieler gibt zu bedenken, dass beim Vitamin C das Motto nicht «Mehr ist mehr» laute. Für den Körper sei eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung zentral. «Superfoods können diese nicht ersetzen, höchstens ergänzen», so Bieler weiter.
Während für Superfood keine rechtliche Definition vorliegt, beschreibt das Wörterbuch «Oxford English Dictionary» solche Nahrung als «nährstoffreiches Lebensmittel, das als besonders förderlich für Gesundheit und Wohlbefinden erachtet wird». Das Europäische Informationszentrum für Lebensmittel definiert den Begriff ähnlich: «Lebensmittel, insbesondere Obst und Gemüse, die aufgrund ihres Nährstoffgehaltes einen höheren gesundheitlichen Nutzen als andere Nahrungsmittel haben». Laut dieser Beschreibung gehören auch die Heidelbeere und Kakao aufgrund ihrer Inhaltsstoffe zum Superfood.
Hinter dem Versprechen, dass Superfoods die Gesundheit positiv beeinflussen, sieht Bieler mehrheitlich Marketingzwecke. So werde die Acai-Beere aus dem Amazonas-Gebiet als Vitamin-C-, fett- und proteinreich sowie sättigend beschrieben. Als heimische Alternativen nennt Bieler in der SRF Sendung «Kassensturz» je nach Nährstoff vergleichbare inländische und europäische Beeren, wie Bromm- und Heidelbeeren oder Schwarzen Holunder sowie Sanddorn. Für die chinesischen Goji-Beeren bieten laut Bieler Spinat, Aprikosen oder Himbeeren eine sinnvollere Alternative.
Ähnliche Werte wie der mexikanischen Chia-Samen würde Leinsamen aufweisen und das bolivianische Quinoa könnte man mit Hirse, Hafer, Buchweizen, Kartoffel oder Polenta ersetzen. «All diese Lebensmittel haben ein ganz eigenes Nährstoffprofil, das sie wertvoll macht. Wer abwechselt, profitiert am meisten», so Bieler. Da sie zu den Nährstoffen von Baobab keine verlässlichen Datenbankeinträge finden könne, fehle ein Vergleich zu einem inländischen Lebensmittel.
Hinter der Vermarktung von Baobab sieht Diack derweil keinen Marketingtrick: «Hierzulande werden sich die Konsumenten ihrer Macht bewusst. Mit ihrer Kaufentscheidung können sie Produkte und damit verbundene soziale Bedingungen beeinflussen.» Deswegen würden sich immer mehr Konsumenten für fair produzierte Ware entscheiden, ist die Jungunternehmerin überzeugt. Mit dem Kauf der «Baobab-Power»-Produkte finanziert der Kunde das Start-up in Gambia durch ein Mikrokredit-System, das ein beliebtes Instrument in der Entwicklungshilfe darstellt und auf den Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus zurückgeht. So fliesst die Hälfte des hier erwirtschafteten Gewinns des Start-ups in den Kreditfonds, der die Gelder dann an die beteiligten Kleingewerbler und Bauern in Gambia verteilt.