Dietikon
Mord im Badezimmer: Nordmazedonier erhält 15 Jahre und 7 Monate Freiheitsstrafe

Das Bezirksgericht Dietikon hat geurteilt: Die Tat in Dietikon war Mord, nicht vorsätzliche Tötung. Wegen der psychischen Störung des Mannes ordnete das Gericht zudem eine stationäre therapeutische Massnahme an.

David Egger
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Das Urteil ist verkündet: Es war Mord

Das Urteil ist verkündet: Es war Mord

Gabriele Heigl/Archiv

Von einem «Abschlachten» hatte der Anwalt der Kinder während der Verhandlung am Bezirksgericht Dietikon am Mittwoch gesprochen. Von einer «unvorstellbaren Brutalität» sprach nun der vorsitzende Richter Benedikt Hoffmann, als er am Freitagabend das Urteil verkündete. Zu 15 Jahren und sieben Monaten Freiheitsstrafe, 15 Jahren Landesverweis und 500 Franken Busse wurde der Nordmazedonier verurteilt, der am 26. August 2019 seine getrennt von ihm lebende Ehefrau in Dietikon mit fünf Messerstichen hingerichtet hat, nachdem er sie mit Faustschlägen bewusstlos geschlagen hatte. Der Landesverweis gilt für den ganzen Schengen-Raum.

Schuldig ist der Mann des Mordes, der Misswirtschaft und Unterlassung der Buchführung, der mehrfachen qualifiziert groben Verletzung der Verkehrsregeln, der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln, des mehrfachen vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand, des mehrfaches Fahrens ohne Haftpflichtversicherung und der mehr­fachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes. Betreffend einiger weiterer Verkehrsdelikte wurde das Verfahren wegen Verjährung eingestellt.

Stationäre therapeutische Massnahme statt Gefängnis

Die nun ausgesprochene Strafe wird zugunsten einer stationären therapeutischen Massnahme aufgeschoben. Der Mörder, der Kokain konsumiert hatte, befindet sich bereits seit Sommer 2021 im Hochsicherheitstrakt der psychiatrischen Klinik Rheinau, um seine psychischen Störungen zu behandeln. Er erhält mehrere Psychopharmaka.

Das Gericht beschloss, dass der Mörder der Opferfamilie, insbesondere den Kindern, gegenüber dem Grundsatz nach schadenersatzpflichtig ist. Die Kinder sollen zudem je 70000 Franken Genugtuung erhalten, die Eltern des Opfers je 50000 Franken, der Bruder 10000 Franken und weitere Geschwister 8000 Franken. Zu den meisten Beträgen kommen fünf Prozent Zinsen seit dem Tag der Tat hinzu. Darüber hinaus ist der Mörder dem Staat die Verfahrenskosten schuldig. Dass der Mann all das jemals wird zahlen können, ist unwahrscheinlich.

Als Bezirksrichter Hoffmann das Urteil erläuterte, machte er zuerst klar, dass dieses «deutlich über den Anträgen der Staatsanwaltschaft» liege. Denn bei der Verhandlung am Mittwoch hatte der Staatsanwalt 14 Jahre und einen Monat Freiheitsstrafe gefordert. Nun sind es 15 Jahre und sieben Monate.

An den Mörder gerichtet sagte Hoffmann:

«Sie hatten in der Untersuchung gesagt, Sie seien kein Krimineller und kein Mörder. Aber Sie sind ein Mörder und Sie sind ein Schwerstkrimineller. Das müssen Sie sich einfach mal klarmachen.»

Dann ging der Richter auf das Argument des Täters ein, wonach er von seiner Frau angegriffen worden sei. Es sei zwar möglich, dass es zu Beschimpfungen durch die Frau gekommen sei. «Mehr aber nicht. Es war kein dynamisches Geschehen», so Hoffmann. «Es war wohl vielmehr so, dass die Türe zur Wohnung nur ein kleines bisschen offen war und der Täter dann die Tür aufgedrückt und in dem Moment losgeschlagen hat – und zwar mit sehr grosser Kraft und Brutalität, sodass am Schluss seine Frau zweifelsfrei bewusstlos am Boden gelegen ist.» Als der heute 40-Jährige zum Messer griff, «ist sie komplett wehrlos dagelegen», machte Hoffmann klar.

Was war mit der Tatwaffe?

Das Messer gab Anlass zu einigen wichtigen Fragen. Hatte der Täter dieses von Anfang an dabei, um eiskalt und planmässig einen Mord auszuführen? Oder lag es per Zufall schon im Badezimmer? Oder ging der Mann das Messer in der Küche holen? Das Gericht geht davon aus, dass der Mann die Wohnung ohne das Messer betreten hat, dass das Geschehen relativ schnell vonstatten gegangen ist und dass das Messer tatsächlich im Bad gelegen hat. «Wir müssen aber auch davon ausgehen, dass es zwischen den Faustschlägen und der Behändigung des Messers irgendwo einen Unterbruch gegeben haben muss, zumal das Opfer am Boden gelegen ist. Das wäre der Moment gewesen, wo der Täter eigentlich hätte zur Besinnung kommen können.»

Die psychische Störung ist nicht allein verantwortlich

Weiter hielt das Gericht fest, dass bei der Tat wahnhafte Vorstellungen, grosse Emotionalität und schwer kontrollierbare Wut eine Rolle gespielt haben. Das schliesse aber nicht aus, dass der Mann schon vor dem Betreten der Wohnung den Wunsch hatte, seine Frau zu töten.

Aus Aussagen von Verwandten ergebe sich, dass er offenbar kurz vor der Tat zur Überzeugung kam, dass seine Frau einen anderen Mann hat. Und in der vorletzten Nacht vor der Tat wütete er schon vor dem Zuhause seiner Frau und schrie, dass seine Frau ihm seine Ehre genommen habe. Etwas mehr als einen Tag später passierte die Tat. «Es wäre absurd, anzunehmen, dass hier kein Zusammenhang besteht. Man kann nicht sagen, er habe keinen Plan gehabt. Es gab eine latente Absicht, sie umzubringen.» Es gibt weitere Umstände, die dafür sprechen. «Nachdem er flüchtete, ging er nicht etwa zu einer Vertrauensperson und sagte, dass er etwas Furchtbares gemacht habe. Nein, er sagte: ‹Ich habe getan, was ich tun musste.›» Das habe eine Verwandte klipp und klar so ausgesagt, so Hoffmann.

Es ziehe sich ein roter Faden durch die Handlung. «Und dieser Faden fängt nicht erst bei der Wohnungstüre an, sondern schon mindestens eineinhalb Tage vorher», sagte Hoffmann.

Die Steuerungsfähigkeit des Täters war nur zu einem Teil eingeschränkt

Strafmildernd wirkte sich die psychische Störung des Mannes aus. Allerdings sei nur von einer mittelgradigen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit auszugehen, so Hoffmann. Denn neben der Krankheit hätten auch «Gewalt legitimierende Grundüberzeugungen» dazu beigetragen. Der Täter, der sich in seinen 20 Jahren in der Schweiz nie integriert hatte, hatte namentlich ein steinzeitliches Frauenbild gezeigt.

«Das Motiv war offenkundig Eifersucht beziehungsweise der Verlust der Kontrolle – oder man kann sagen des Besitzes – Ihrer Frau. Dieses Motiv ist besonders widerlich und niedrig.»

Das Verschulden sei schwer. «Sie haben die ganze Familie in einen Abgrund gezogen. Haben Sie eine Ahnung, was das alles für die Kinder bedeutet? Wenn sie es auch irgendwann hoffentlich werden verarbeiten können, wird es sie zeitlebens begleiten. Die nächsten 70 oder 80 Jahre wird das die Kinder verfolgen.»

Auch auf den Umstand, dass der Mann bei hoher Geschwindigkeit seinen Sohn, der auf seinem Schoss sass, ans Steuer des Autos liess, während die anderen Kinder auch im Auto sassen, ging Richter Hoffmann ein. «Wäre etwas passiert, wäre Ihr Sohn in der gleichen Sekunde tot gewesen. Sie haben sozusagen mit ihren eigenen Kindern russisches Roulette gespielt.» Hier sei auch die psychische Störung nicht strafmildernd.

Der Mörder – er lebt seit bald 950 Tagen hinter Gittern – nahm das Urteil und Hoffmanns Erläuterungen praktisch regungslos zur Kenntnis. Zwischendurch nickte er kurz, als die Albanisch-Dolmetscherin die richterlichen Worte übersetzte.