Ende Februar fanden sich interessierte Seniorinnen und Senioren im Summerhus des reformierten Pfarrkreises Subingen-Aeschi ein, um den Ausführungen von Pfarrer Rolf Weber aus Luterbach über den in Subingen bekannten „Stärnligugger“ Dr. Wilhelm Kaiser zu folgen.
Zu Beginn erzählte Rolf Weber wie er selber mit dem Astronomen Wilhelm Kaiser bekannt geworden war. Im Rahmen seines Engagements in der Steiner Schule Solothurn, hat er im Bücherantiquariat mitgeholfen. Da ist er das erste Mal auf Bücher und Hefte von Wilhelm Kaiser gestossen. Er realisierte, dass er ihm während seiner Schulzeit an der Kantonsschule Solothurn einmal begegnet war und seine Mitschüler diesen schrulligen Mann als „Kantigeist“ bezeichnet hatten. Von diesem Moment an machte er sich auf die Spurensuche. Er fand heraus, dass dieser geheimnisvolle Mann aus Subingen stammte. Und erst recht spannend wurde die Sache, als er erfuhr, dass in der Zentralbibliothek ein Teil des Nachlasses von Wilhelm Kaiser lag.
Dies sei jedoch „totes“ Material, erklärte Rolf Weber am Seniorennachmittag. Er sei überzeugt, dass viele der Anwesenden aus Subingen persönliche Geschichten von und über Wilhelm Kaiser kennen würden. So war auch der „Namensvetter“ Willi Keiser unter den Zuhörern, der Rolf Weber vorgängig schon mit Fotos und Informationen über den Astronomen geliefert hatte. Es meldete sich auch eine Dame, die wusste, wo Wilhelm Kaiser aufgewachsen war und die ihn kannte. Man bedenke, dass er am 23. Februar 120 Jahre alt geworden wäre. Rolf Weber war hocherfreut über diese Meldungen und bedankte sich.
Aber wie war es nun mit diesem Wilhelm Kaiser? Geboren wurde er am 23. Februar 1895 in Péry, im Berner Jura, wo sein Vater in der R. Vigier Portland Cement Fabriken als Chemiker arbeitete. Als Wilhelm Kaiser vier Jahre alt war, starb sein Vater und seine Mutter kehrte mit ihrem Kind in ihre Bürgermeinde nach Subingen. Nach Absolvierung der obligatorischen Schulen in Subingen und Kriegstetten, besuchte er das Lehrerseminar in Solothurn und schloss dieses mit dem Lehrerpatent ab. Es folgte ein Studium der Physik, Mathematik und Astronomie an der Universität und ETH Zürich. Im Jahr 1918 fand eine erste Begegnung mit Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophischen Bewegung, an einem Vortrag statt. Wilhelm Kaiser vertiefte sein Wissen weiter an der Universität in Bern, mit dem Nebenfach Biologie und arbeitete später im Archiv am Goetheanum in Dornach, wo er auch an Tagungen der Mathematischen-Astronomischen Sektion der Anthroposophischen Gesellschaft teilnahm. In dieser Zeit entstand das Buch: „Astronomie in geisteswissenschaftlicher Beleuchtung – nach einem astronomischen Kurs Dr. Rudolf Steiners“ bearbeitet und herausgegeben von Wilhelm Kaiser. Weiter folgte die Promotion zum Dr. phil. mit der Arbeit: „Über die geometrischen Sternsysteme“. In den folgenden Jahren verfeinerte und vertiefte Wilhelm Kaiser die begonnenen Überlegungen und Beobachtungen seiner Dissertation über die Fixsterne. Mit einer regen Vortragstätigkeit in der ganzen Schweiz und sogar in Deutschland, versuchte er seine Gedanken und Beobachtungen den interessierten Personen zugänglich zu machen. Er war beseelt davon, den Menschen die Freude und Einmaligkeit der Sterne näher zu bringen.
Seine im Laufe der Jahre publizierten Bücher und Schriften lagerte Wilhelm Kaiser ab 1956 im Luftschutzkeller der „Neuen“ Kantonsschule Solothurn ein. Kurze Zeit später wurde dieser Keller bis ins Jahr 1981 sein fester Wohnsitz. Mit der Verwaltung der Schule wurde abgemacht, dass er ab 20 Uhr in einem Schulzimmer arbeiten konnte und das Teleskop benutzen durfte und dass er sich vor 7 Uhr am Morgen wieder zurückziehen musste. Auf dem von Rolf Weber gezeigten Foto des Kellers waren wenige Möbel erkennbar, überdeckt mit sorgfältig gestapelten Schriften. Als Bett diente sehr wahrscheinlich ein kleines Sofa.
Mehr als einmal bewarb sich Dr. Wilhelm Kaiser auf eine sichere und gut bezahlte Arbeitsstelle, jedoch ohne Erfolg. So zum Beispiel im Jahr 1957 am Astronomischen Institut der Universität Neuenburg. Diesen exakten Wissenschaftlern war er zu anthroposophisch. Und bei anderen Bewerbungen galt er als zu wissenschaftlich. Wie anders wäre sein Leben verlaufen, hätte er zu Lebzeiten schon Anerkennung für seine Arbeit gefunden. Wilhelm Kaiser scheint ein Genie gewesen zu sein, dem es leider nicht gelungen ist, sein Wissen auf verständliche Weise weiterzuvermitteln.
Wilhelm Kaiser starb am 29. April 1983. Zu seinem Gedenken steht auf dem Friedhof in Subingen, hinter der Kirche, eine Skulptur des Bildhauers Hannes Zuber aus Günsberg.