Forscher erklären diesen Unterschied mit der Evolution und der Mutter-Funktion. Verantwortlich ist das Kuschelhormon Oxytocin, welches bei Männern weniger stark ausgeschüttet wird.
Für den italienischen Philosophen Luciano de Creszenzo stand fest: «Jeder von uns ist ein Engel mit nur einem Flügel. Und wir können nur fliegen, wenn wir uns umarmen.» Eine aktuelle Studie bestätigt nun, dass eine Umarmung uns tatsächlich Halt in belastenden Situationen geben kann. Doch offenbar gilt das nur für Frauen.
Ein Forscherteam um Julian Packheiser von der Universität Bochum setzte 38 Liebespaare unter Stress, indem man sie aufforderte, ihren Arm möglichst lange in eiskaltes Wasser zu tauchen und dabei noch in ein Kameraobjektiv zu schauen. Zuvor durfte sich aber die eine Hälfte der Paare für maximal 20 Sekunden umarmen, während die andere Hälfte ohne diese Interaktion auskommen musste. Der Stresslevel der Probanden wurde durch eine Speichelprobe ermittelt, die auf das Stresshormon Cortisol untersucht wurde.
Es zeigte sich, dass bei den Frauen der Cortisolspiegel deutlich weniger anstieg, wenn sie sich zuvor mit ihrem Partner umarmt hatten. «Bei den Männern fanden wir hingegen keine Hinweise darauf, dass sie von einer kurzen Umarmung als Stresspuffer profitieren würden», so die Forscher.
Der Effekt ist also eher spezifisch für Frauen: Sie kommen durch eine Umarmung besser durch Stress-Situationen, Männer jedoch nicht. Was die Frage nach den Ursachen für diesen Unterschied aufwirft. Eine mögliche Erklärung wäre, dass die Frauen und Männer in ihrer jeweiligen Beziehung unterschiedlich glücklich waren. Das könnte naheliegenderweise einen grossen Einfluss darauf haben, inwieweit sie die Umarmung ihres Partners als beruhigend empfinden. Doch die Bochumer Forscher hatten vorher per Fragebogen-Test ermittelt, dass ihre Probanden ähnlich glücklich in ihrer Partnerschaft waren. Aus dieser Richtung liess sich also keine Erklärung für die geschlechtsspezifische Stressdämpfung beim Umarmen hätte erklären können.
Besser greift da schon, dass der weibliche Körper, wie man mittlerweile weiss, bei Körperkontakt zu einem geliebten Menschen mehr Oxytocin ausschüttet als der männliche. Diese gerne als «Kuschelhormon» bezeichnete Substanz sorgt nicht nur für intensive Zärtlichkeitsgefühle, sondern auch für eine geringere Cortisolausschüttung aus den Nebennieren.
Doch so naheliegend dieser Erklärungsansatz auch ist: Warum bilden Frauen eigentlich bei körperlichen Zärtlichkeiten mehr Oxytocin? Valentina Russo von der Sapienza Universität Rom hat die wissenschaftliche Datenlage zu diesem Thema ausgewertet, und demnach gibt es gute evolutionäre Gründe für diesen Phänomen. «Mütter sind in der Beziehung zu ihren Säuglingen darauf angewiesen, auch subtilere Berührungen richtig deuten zu können», erklärt die Psychologin. Das habe vermutlich dazu geführt, dass sie «generell empfänglicher für eine Kommunikation über Körperkontakte» sind.
Bei Frauen dämpfen Umarmungen also den Stress, weil die Evolution sie als potenzielle Mütter mit mehr Sensibilität für Hautkontakte ausgestattet hat. Der Mann hingegen ist in dieser Hinsicht eher ein Analphabet. Was aber nicht bedeutet, dass er seine Partnerin in stressigen Zeiten nicht mehr umarmen soll. Denn immerhin wird sie ja dadurch ruhiger.