Tierschutz
Eine Intensivstation für das meistgeschmuggelte Säugetier

Die Schuppen gelten als Heilmittel, das Fleisch als Delikatesse: Das Schuppentier ist so begehrt, dass es schon bald ausgestorben sein könnte. Nun soll ein geheimes Tierspital in Südafrika sein Überleben sichern.

Markus Schönherr
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Das Schuppentier wird aus offensichtlichem Grund auch Tannenzapfentier genannt.

Das Schuppentier wird aus offensichtlichem Grund auch Tannenzapfentier genannt.

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Wenn Wilderer ein Nashorn töten, hinterlässt das Spuren: einen Riesenkadaver mit einer blutigen Höhle im Gesicht, da wo einst das Horn sass. Anders beim Schuppentier: Wenn Gefahr droht, rollt es sich ein. Wilddiebe können es dann wie eine reife Frucht vom Boden auflesen. Dies und die Tatsache, dass ihre Schuppen in Asien als Allheilmittel teuer gehandelt werden, haben Schuppentiere zum meistgeschmuggelten nichtmenschlichen Säugetier der Welt gemacht.

Wegen der Hornschuppen, die ihren Körper bedecken, werden Schuppentiere auch Tannenzapfentiere genannt. Wie ein schwerer Tannenzapfen hängt auch dieser Patient an der Schulter von Wildtierexpertin Nicci Wright. Seine Pfote mit den scharfen Krallen hat sie in einen dicken Verband gepackt. Auf dem Rücken des Tiers klafft ein Loch, etwa zehn Zentimeter im Durchmesser. Dort haben Wilderer vermutlich mit einer Zange eine seiner Schuppen ausgerissen. «Das ist so, als würde man uns einen Fingernagel ziehen, der direkt mit dem Muskel verbunden ist», erzählt Wright.

Ein Tierspital auf der Schmuggelroute

Die Geschichte des Schuppentier-Weibchens sorgte in Südafrika für Schlagzeilen: In Johannesburg hatte eine Sondereinheit der Polizei Anfang März einen Schmugglerring gesprengt und sechs Männer aus Südafrika und Nigeria verhaftet. Das gerettete Schuppentier brachte sie zu Wright und deren Kollegin, Tierärztin Karin Lourens. «Es war zehn Tage oder länger bei den Wilderern und litt an einer Lungenentzündung», sagt Lourens. Dank Antibiotika und täglicher Pflege sei das Weibchen nun in einem stabilen Zustand.

Nicci Wright und Karin Lourens mit einem der Patienten.

Nicci Wright und Karin Lourens mit einem der Patienten.

zVg

Seit der Gründung des Johannesburg Wildlife Veterinary Hospitals vor vier Jahren behandelten Wright und Lourens Dutzende Arten von Affen, Eulen, Schildkröten und anderen kleinen Wildtieren. Sie konnten mehrere hundert Schuppentiere, auch Pangolins genannt, aufpäppeln und auswildern. «Wir sind umgeben von Flughäfen und Autobahnen und damit perfekt positioniert», sagt Wright. Einerseits, weil gerettete Tiere dadurch schneller in ihr Refugium gelangten, andererseits, weil Südafrikas Wirtschaftsmetropole auf der Schmuggelroute liege.

Die Schuppen von Pangolins finden in der traditionellen chinesischen Medizin Anwendung. Ihr Fleisch gilt in mehreren Ländern Asiens als exotische Delikatesse. Allein 2019 schmuggelten Wilderer mehr als 97 Tonnen an Schuppen aus Afrika, das entspricht etwa 160'000 Tieren. Obwohl Chinas Regierung den Handel mit Schuppen untersagte, blüht der Import.

Pangolins fressen nur beim Gassi gehen

Das Tierrettungsteam weiss: Wer zehn wertvolle Schuppentiere pflegt, setzt sich einer Gefahr aus. «Es ist, als würde man ein Nashorn in seinem Garten halten», sagt Wright. Nur ab und an holen sie ihre Schützlinge für Behandlungen ins Tierspital. Gepflegt werden die Pangolins an einem geheimen Ort, um sie vor Wilderern zu schützen. Auch der Standort der neuen Krankenstation, die in einem Monat den Betrieb aufnimmt, bleibt ein Geheimnis. Dort werden sich die Mitarbeitenden ausschliesslich um Schuppentiere kümmern, sie können dann bis zu zwanzig Pangolins gleichzeitig pflegen.

«Es ist eine Intensivbehandlung», sagt Tierärztin Lourens. «Wir führen CT-Scans und etliche Blutuntersuchungen durch.» Ausserdem verlangten die Tannenzapfen nach einer aufwendigen Fütterung: Um sie zum Fressen zu animieren, muss das Personal die nachtaktiven Tiere Gassi führen. «Sie fressen nicht aus einer Schüssel. Sie wollen lebendige Ameisen und Termiten.» Die Behandlung auf der neuen Intensivstation kostet 100 Franken pro Tier und Tag. Das Sponsoring übernimmt eine Bankengruppe.

Eine Schüssel Suppe für 2500 Dollar

Doch weshalb der Aufwand? Experten schätzen, dass die vier afrikanischen und vier asiatischen Schuppentierarten bereits in 20 Jahren ausgerottet sein könnten. Eine genaue Zählung ist wegen der versteckten Lebensweise der Tiere unmöglich. «Doch solange die Nachfrage in Asien da ist, wird es auch Wilderei geben», sagt Wright. Sie fordert mehr Aufklärung in der asiatischen Bevölkerung – und äussert leise Hoffnung. «Die junge Generation interessiert sich weniger dafür. Sie hat Smartphones und Computer. Das sind die Menschen, die wir ansprechen müssen.»

Die Angewohnheit, sich zusammenzurollen, macht das Schuppentier zu einer einfachen Beute.

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Allerdings bereitetet dem Tierschutz der Wirtschaftsboom in einigen asiatischen Ländern Sorge. Viele junge Neureiche sehen Nashorn-Splitter und andere Relikte als Statussymbol, erzählt Wright. «Sie führen ihre Geschäftspartner in Restaurants aus, bestellen Pangolin-Suppe für 2500 US-Dollar pro Schüssel und alle bewundern sie. Das bleibt ein Problem.»