Klares und warmes Wasser, Wracks und ein neuer Skulpturenpark: Unsere Autorin tauchte auf der Ferieninsel Zypern ab.
Mit bis zu 340 Sonnentagen im Jahr zählt das vom Mittelmeer-Klima geprägte Zypern zu den sonnenreichsten Ländern auf der Welt. Die drittgrösste Mittelmeerinsel nach Sizilien und Sardinien hat aber weit mehr zu bieten. Das klare und warme Wasser zieht mich unter die Meeresoberfläche. Wobei ich mich im ersten Moment frage: Wo sind denn die Fische hin?
Das Fischreichtum hat im ganzen östlichen Mittelmeerraum unter der jahrelangen intensiven Fischerei gelitten. Die zypriotische Regierung will die Unterwasserwelt wieder beleben. In den vergangenen Jahren entstanden 14 geschützte Marine-Gebiete, in denen Fischen nicht erlaubt ist. Zudem sollen diese Gebiete mit künstlichen Riffen entwickelt werden. Auch als Attraktion für Taucher.
Gleich zwei dieser Riffe liegen nur 200 Meter voneinander entfernt nahe der Küste von Limassol. Eines davon ist die MS Costandis. Seit 2014 liegt der 1989 gebaute Fischdampfer auf 24 Metern Tiefe und ist mittlerweile dicht mit Algen bewachsen. Und da finde ich jede Menge Fische. Allen voran «Zengoliath». Der zirka 20 Kilogramm schwere Riesenzackenbarsch nähert sich mir ohne Scheu. Tauchguides gaben ihm seinen Namen wegen seiner freundlichen Art. «Ausser man hat Essen in den Händen; dann kann er auch mal aggressiv werden», erfahre ich auf dem Boot.
Ich tauche dem Wrack entlang, beobachte und geniesse die Stille der Tiefe. Nur meine Atemgeräusche und Geblubber begleiten mich. Eine weisse, etwas über 1 cm grosse Nacktschnecke hätte ich ohne die Hilfe unserer Guides niemals entdeckt. Da sind die blau-gelben Schnecken schon auffälliger.
Spannend ist die Costandis auch, weil sich Taucherinnen und Taucher im Lager- und dem Maschinenraum oder dem Steuerhaus umsehen können. Das ist alles aber verschwindend klein, verglichen mit der MS Zenobia bei Larnaca. Das 172 Meter lange und 28 breite Schiff ist das grösste Wrack an der zypriotischen Küste und gilt wegen der guten Sicht und der milden Wassertemperaturen als eines der Top Ten-Unterwasserwracks weltweit.
Die schwedische Fähre mit 108 Lastwagen an Bord kam 1980 auf ihrer Jungfernfahrt aufgrund einer elektronischen Fehlfunktion in Schieflage und sank 1500 Meter vom Hafen entfernt. Alle Passagiere und Besatzungsmitglieder konnten rechtzeitig gerettet werden.
Das Wrack ist der absolute Favorit des englischen Tauchlehrers Conrad Johnson, der seit sieben Jahren auf der Insel arbeitet. «Ich kriege nie genug von der Zenobia», sagt der 50-Jährige. Seine Lieblingsorte: Der Hilfsmaschinenraum und das mittlere Cargo-Deck. 25 Routen kennt er – je nach Taucherfahrung ist für alle etwas dabei.
Bevor wir ins Wasser springen, erklärt Johnson uns anhand von Grafiken, was wir vorhaben. Unter anderem wollen wir die Kantine besuchen. «Denkt dran, dass das Wrack auf der Seite liegt; die Fenster sind also oben, wenn wir hineintauchen.» Das erweist sich wenig später als echt schräg.
Das Schiff, das wir auf 18 Metern Tiefe erreichen, ist in seiner ganzen Dimension gar nicht wahrnehmbar. Wir tauchen in Begleitung eines Schwarms Brassen an umgekippten LKWs und einem Rettungsboot vorbei. Gespenstisch und gleichzeitig wahnsinnig eindrücklich.
Die Schiffsschraube erscheint mir riesig. Durch eine horizontal liegende Tür geht’s ins Wrack hinein. Genau hier gingen vor über 40 Jahren Menschen ein und aus. Jetzt darf ich in diesem rostigen Koloss auf abenteuerliche Entdeckungstour. Platzangst sollte man hier definitiv nicht haben.
Ich muss aufpassen, ohne Kollisionen durch die engen Öffnungen zu tauchen und weiss gar nicht, wohin ich meinen Blick wenden soll. Die zu Oberlichtern gewordenen Fenster geben dem Raum eine spezielle Atmosphäre. Eine Toilettenschüssel, ein Lavabo, Teppiche und viele Kabel sind zu sehen.
Viel zu schnell müssen wir wieder auftauchen. Wo ich «Gfrörli» anderswo schon kalt bekomme, ist es mir hier immer noch pudelwohl in meinem Nassanzug. Auf 30 Metern Tiefe kann das Wasser im Sommer immer noch 20 Grad warm sein.
Über 70 durch Unfälle oder Menschenhand gesunkene Schiffe sind bisher in Zypern registriert. Neuster Zuwachs unter den künstlichen Riffen ist «Musan» in Ayia Napa. Es ist der erste Skulpturenpark im Mittelmeer und der erste Unterwasserwald überhaupt. Ein solcher sei schon lange eine seiner Visionen gewesen, erklärt der britische Künstler Jason deCaires Tylor, der über mehrere Jahre am Ein-Millionen-Euro-Projekt gearbeitet hat.
Die Grundlage des neu erschaffenen Waldes, der rund 250 Meter vom Ufer entfernt liegt, besteht aus 93 Skulpturen aus PH-neutralem Beton und anderen umweltverträglichen Materialien, die natürliches Wachstum anregen sollen. Das totale Gewicht: 250 Tonnen. Auf dem sandigen, ehemals kahlen Meeresgrund auf zehn Metern Tiefe treffe ich auf Menschen-Skulpturen, teilweise mit Kameras in den Händen. «Diese richten die Linsen auf uns selbst», erklärt Jason deCaires Tylor. «Wir sollen uns fragen, wer wir sind, wo wir hinwollen und welche Entscheidungen wir treffen.»
Der Brite setzt sich mit seinen Museen und Parks auf der ganzen Welt für den Umweltschutz und auch für den Blick unter die Wasseroberfläche ein. «Wir behandeln die Meere nicht mit dem Respekt, den sie verdienen.»
Zum ersten Mal integrierte er auch schwimmende Objekte in eines seiner Projekte. Die bis zu sechs Meter hohen Elemente mit Blättern aus rostfreiem Stahl bewegen sich mit dem Wasser und streben der Oberfläche entgegen. Aber auch Eichen mit stachelartigen Ästen sind zu finden.
Die unterschiedlichen Strukturen sollen verschiedensten Fischen einen Lebensraum bieten. Das trifft schon jetzt zu. Ich verweile einen Moment und schaue zwei kleinen, gelb-weissen Fischen hinterher, die um die Figuren schwimmen; im Hintergrund glitzert ein grösserer Schwarm.
Der Park ist aber nicht nur für Taucher interessant, die gut und gerne über eine Stunde hier unten verweilen können: Weil sich «Musan» nur auf maximal 10 Metern Tiefe befindet, sind einige Objekte beim Schnorcheln auch von der Wasseroberfläche aus zu sehen.
Seine Werke seien nie abgeschlossen, betont Jason deCaires Taylor. Die Natur würde sie noch weiter formen. Noch reflektiert auf den Stahl-Elementen Licht, der modellierte Beton erscheint kahl. Doch beim genauen Hinsehen entdecke ich feine, pflanzliche Strukturen und ich merke: Da ist bereits Leben. Und in einem Jahr wird alles schon ganz anders aussehen.
Zypern ist seit 1974 in zwei Lager geteilt: Im Süden die Republik Zypern und im Norden die Türkische Republik Nordzypern. Heute leben die 900'000 Einwohner Zyperns hauptsächlich von Tourismus und Landwirtschaft. Die Geschichte der Zivilisation geht auf 11'000 Jahre zurück. Die mittelalterliche Burg Kolossi mit 13 Schiessscharten und einer Pechnase, oder das eisenzeitliche Stadtkönigreich Kourion mit Amphitheater, wo regelmässig Konzerte stattfinden, sind Zeugen der Vergangenheit. Aus der Zeit der britischen Kolonie blieb der Linksverkehr. Und die Briten haben nach wie vor militärische Stützpunkte auf der Insel.
Im Museum Thalassa in Ayia Napa dreht sich alles um das maritime Erbe Zyperns. Neben einer Nachbaute des berühmten Schiffs Kyrenia findet man Versteinerungen, Muscheln, Töpferwaren und ausgestopfte Fische.
Wer es in die Natur zieht, wird im Troodos-Gebirge fündig. Dort fühlen sich die Schotten wie zuhause, sagt man. Die Bergkette mit Wasserfällen bietet schöne Wanderungen, Mountainbike-Strecken und mehrere Weinrouten. Im Frühjahr ist sogar Skifahren möglich. Währenddessen ist es am Meer immer noch milde 15 Grad warm.
Auf dem Weg lockt ein Besuch im Bergdorf Omodos mit rund 300 Einwohnern, wo es eine alte Weinpresse, lokale Produkte und gute Tavernen gibt. Die Besucher kommen auch aus dem unweiten Limassol zum Nachtessen. Wer es weniger touristisch mag, kann auch die nahegelegenen Dörfer Vasa oder Arsos besuchen.
Anreise: Edelweiss (www.flyedelweiss.ch) fliegt von Zürich direkt nach Larnaca. Taucher können ihre Ausrüstung ohne Aufpreis mitnehmen. Für die Einreise nach Zypern ist der «Cyprus Flight Pass» notwendig. Personen ohne komplette Impfung müssen 72 Stunden vor Abflug einen PCR-Test machen und sich vor Ort nochmals testen lassen. Geimpfte können mit dem Zertifikat ohne Test einreisen.
Leibliches Wohl: Meze ist typisch für Zypern. Mehrere kleine Gerichte landen auf dem Tisch. Salat, Halloumi-Käse, Fleisch, Fisch und Kartoffeln oder die Tarowurzel gehören stets (in unterschiedlichen Formen) dazu. Zum Abschluss kann man einen Comandaria (Süsswein) oder Zivania (Tresterbrand) probieren. Exquisites Meze wird einem im Innenhof der Dionysus Mansion in Limassol kredenzt.
Tauchbasen: Cydive in Paphos wurde 1979 gegründet und erhielt als erste Tauchschule auf Zypern die begehrte Padi IDC 5-Stern-Zertifizierung. Erste Tauchversuche können im eigenen Pool gemacht werden. In Limassol ist Blue Thunder Diving eine kompetente Adresse für Tauchgänge zu den künstlichen Riffen Costandis und Lady Thetis. Ocean View Diving in Ayia Napa nimmt Gäste mit ans Cape Creco oder neu zu Musan. Alle Tauchbasen machen auch Besuche der MS Zenobia möglich – mit etwas mehr oder weniger Anfahrtsweg.
Übernachten: Das Fünfsterne-Resort St. Raphael in Limassol bietet zwei Pools, einen eigenen Strandabschnitt und ist gute Ausgangslage, um die Insel zu entdecken.
Die Reise wurde unterstützt durch Zypern Tourismus.