Im Netz kursiert ein unseriöser Film zum Thema Wasser. Dieser wirbt gezielt mit einem grossen Namen: Jenem des Schweizer Nobelpreisträgers Kurt Wüthrich.
Wasser ist eine ziemliche Diva. Je nachdem, wie man es behandelt, reagiert es ganz schön empfindlich. Füllt man etwas Wasser in ein Glas und schreit es an, verdirbt es rasch, es «stirbt». Sagt man aber schön «danke» zu ihm, bleibt es «lebendig», sprich: bekömmlich.
Noch nie von dieser Theorie gehört? Kein Wunder. Sie ist Quatsch. Genauso wie der Film «Water – die geheime Macht des Wassers», in dem sie verbreitet wird. Die Flüssigkeit, die für uns das Selbstverständlichste der Welt ist, wird darin als übernatürlich angepriesen. Die Macher behaupten, dass unser Wasser ziemlich viel kann. Ein Gedächtnis soll es haben: Es sauge alle Umwelteinflüsse auf und reagiere entsprechend darauf.
Jetzt könnte man das alles als Blödsinn abtun. Seriöse wissenschaftliche Beweise für diese Thesen gibt es nicht. Wären da nicht die vier Auftritte eines Prominenten in der Wissenschaftsszene – und in der Schweiz allgemein: Kurt Wüthrich. Der Chemie-Nobelpreisträger von 2002 sagt im Scheinwerferlicht der Kamera schlaue Dinge wie: «Ohne Wasser gibt es kein Leben auf der Erde.» Oder: «Im Grunde gibt es im Kopf fast nichts ausser Wasser.» Und: «Wasser hat im Vergleich zu anderen Flüssigkeiten ungewöhnliche physikalische und chemische Eigenschaften.»
Das sind nur Ausschnitte von dem, was Wüthrich alles sagt. Und an sich sind die Aussagen inhaltlich so korrekt wie unverfänglich. Das Problem ist der Kontext, der durch die Statements von anderen Pseudo-Experten erzeugt wird. So sagt ein als russischer Forscher ausgewiesener Mann im Film: «Die geistige Verschmutzung hat zugenommen. Warum? Der ganze Neid. Der Stress. All das wird dann auf das Wasser losgelassen. Wenn es bei uns aus dem Hahn kommt, ist es deshalb schon fast tot.»
Nun, was hat ein angesehener Nobelpreisträger in einem von russischen Produzenten initiierten Esoterikfilm zu suchen? Ein Film, der auf Youtube bereits mehr als eine Million mal aufgerufen wurde. Den es seit seiner Herausgabe 2006 auch in den hiesigen seriösen Onlineshops von Ex Libris und Orell Füssli zu kaufen gibt. Kurt Wüthrich forscht seit seiner Pensionierung in seinem eigens für ihn eingerichteten Labor in den USA. Offenbar Tag und Nacht. Jedenfalls ist er zu beschäftigt, um auf die Frage aus der Schweiz zu antworten. Seine Assistentin der ETH Zürich, wo er früher dozierte, richtet aus: «Professor Wüthrich hat nichts mit dem Film zu tun.»
Das ist gut möglich. Ein Brief von Wüthrich, der der «Nordwestschweiz» vorliegt, zeigt aber zumindest: Der Nobelpreisträger wusste schon länger von der Sache. Auf Papier mit ETH-Logo schreibt er an Patrick Astfalk vom renommierten deutschen Max-Planck-Institut, dass dieser «nicht der Erste ist, der mich auf den Film anspricht». Man habe ein in seinem Laboratorium in den USA aufgenommenes Interview in den Film eingebaut, «ohne mich darüber zu informieren». Der Hintergrund für das Interview sei gewesen, dass Studien der Hydratation von Proteinen und Nukleinsäuren in den Neunzigerjahren einen wichtigen Teil seiner Forschung gewesen seien. «Wir haben nie über die Eigenschaften von ‹Wasser› geforscht oder publiziert.» So stehts schwarz auf weiss im Schreiben an den Wissenschaftskollegen. Dieser Zeitung gegenüber lässt Wüthrich bloss ausrichten, dass er schon so viele Interviews geführt hat, dass er nicht mehr weiss, wann und mit wem er damals gesprochen hat.
Der Wissenschafter Astfalk ist von einem Kollegen auf den Film aufmerksam gemacht worden. «Ich vermutete bereits, dass da irgendetwas nicht stimmt.» Darum habe er Wüthrich vergangenen November angeschrieben und um eine Stellungnahme gebeten. «Die Antwort kam prompt.» Der Physiker glaubt nicht, dass die Sache dem Renommee des Nobelpreisträgers schaden wird. «Das ist nicht die Art von Dokumentarfilm, die sich Chemiker und Physiker freiwillig anschauen.» Viel problematischer sei, dass der Film mit dem Vorzeigen eines Nobelpreisträgers dem Zuschauer suggeriert, dass der dargestellte Unsinn tatsächlich wissenschaftlicher Konsens sei. «Für einen Laien wird es auf diese Weise schwer einzuschätzen, wo die solide Wissenschaft aufhört und wo der esoterische Unsinn anfängt.»
Wüthrich will jetzt mit der ETH-Rechtsabteilung prüfen, ob er gegen den Wasserfilm vorgehen soll.