In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 77, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 28. Diese Woche geht es um Trends, und wie alles immer wieder kommt.
Lieber Ludwig
Mit einer Tätowierung kehrt man seine Persönlichkeit nach aussen. So deine Aussage. Ich stimme zu. Aber ich widerspreche auch. Lass mich erklären, und zwar zuerst die Zustimmung. Bleiben wir beim Beispiel der tätowierten Finanzberaterin. Sie vertritt bei der Arbeit nicht nur sich selbst, sondern auch ihr Unternehmen. Stimmt natürlich. Durch die Tattoos ist immer sichtbar, dass sie auch ein Leben ausserhalb der Bank hat. Was ohnehin klar und auch wünschenswert ist, warum also nicht gleich zeigen. Macht schliesslich auch menschlich.
An dieser Stelle ein Gedanke zu einer Aussage. Du schreibst, dir fehlte schon die Lust, dich periodisch straffen zu lassen, damit alte Tattoos nicht so abgetakelt aussähen. Ich sehe das genau andersrum. Der Körper altert ohnehin. Die Haut verliert an Spannkraft, bekommt Falten, ob jetzt ein Tattoo drauf ist oder nicht. Gleiches Thema wie: Kein Bein zeigen mit Krampfadern. Kein ausgefallenes Make-up, wenn man älter ist. Und so weiter. Dabei wissen wir doch alle, dass wir alt werden. Wissen auch, wie alte Körper aussehen. Warum also verstecken? Ist irgendwie auch eine Form von Ageism, Altersdiskriminierung. Exkurs fertig.
Zurück zu den Tattoos und zu meinem Widerspruch. Die Tattoos sind oft nur eine vermeintliche Individualisierung. Vermeintlich deshalb, weil am Schluss viele Menschen ähnliche oder sogar gleiche Sujets tragen. Verallgemeinerung statt Individualisierung. Aber das ist ja nicht nur bei Tätowierungen zu beobachten. Sondern bei allem. Kleidung, Musik, Möbel, Literatur. Überall gibt es Strömungen, Trends, die man zeitlich verorten kann.
Vor nicht allzu langer Zeit war es sehr in Mode, sich ein Unendlichkeitszeichen, eine Feder oder ein Traumfänger stechen zu lassen. Ist unterdessen eher wieder vorbei. Doch eine Zeit lang haben so viele diese Motive gewählt, dass sie beinahe generisch wurden. Dass manche Leute sich vielleicht sogar ein bisschen drüber lustig machen. Macht aber gar nichts. Denn Trends kommen immer wieder. Das Fashion Victim von gestern ist möglicherweise morgen schon wieder Trendsetter. Das beste Beispiel gibt’s ebenfalls bei den Tattoos: Tribals sind wieder ein Ding! Du weisst schon, diese Motive, die man in den Neunzigern hatte. Oft auch am unteren Rücken, bestens bekannt unter dem Namen Arschgeweih. Unterdessen wieder ziemlich in.
Das erste Mal, dass ich bewusst die Rückkehr eines Trends erlebe. Du hast da bestimmt mehr Erfahrung. Bei welchen Trends hast du dich gefreut? Bei welchen hats dich gefürchtet?
Samantha