«Jung & Alt»-Kolumne
Warum ich dann doch nicht Bischof werden wollte

In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 78, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 28. Diese Woche erklärt Hasler, weshalb er fürs Inspirieren statt Ermahnen plädiert.

Ludwig Hasler
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Nicht der Traumberuf unseres Autors: Bischof.

Nicht der Traumberuf unseres Autors: Bischof.

José R. Martinez

Liebe Samantha

Dass du Päpstin werden wolltest, als protestantisches Mädchen, amüsiert mich. Ich wollte als Bub bloss Erz­bischof werden – bis man mir sagte, die Schweiz kenne nur Bischöfe, keinen Erzbischof. Bischof wollte ich nicht werden. Denn als Knirps stand ich mit der gesamten Bevölkerung im Flecken Beromünster, wir erwarteten den Bischof von Solothurn, er sollte Kinder firmen. Ich malte mir den prachtvollsten Aufzug aus, ausladende Limousine, livrierter Chauffeur, prächtige Roben …

Bis ein kommuner VW Käfer vorfuhr, der Chauffeur ausstieg – und keiner sonst. Der Bischof selbst war am Steuer, im Grau des Allerweltsklerikers. Und wie um sich vollends zu demontieren, holte er zwei Stangen aus dem Auto, schraubte sie zusammen – zum Bischofsstab! Ringsum beifälliges Gemurmel, oh, ein Bischof wie du und ich ... Mir reichte es. Wenn das so läuft, dachte ich, mach ich lieber gleich was richtig Welt­liches.

Lange her, volle siebzig Jahre. Geblieben ist mir die Abneigung gegen das Nüchterne. Katholische Hypothek. Der Vernunft traute diese Kirche nie, lieber beeindruckte sie Auge und Ohr, machte Menschen gern klein, oh ja, erhob sie aber auch mit sinnenbetörender Kunst und Musik, mit Zeremonien, mit einer Ästhetik so schön, als wäre sie nicht von dieser Welt.

Das gibt vielleicht sogar etwas her für unser aktuelles Thema, Mobbing usw. Fürs Zähmen der hinterhältigen Ingredienzen der Menschenexistenz. Mit verständigem Abmahnen ist da wenig auszurichten, darin sind wir uns einig. Das Horrorkabinett in uns drin kuscht nicht auf moralische Appelle hin. Aber vielleicht lässt es sich bezirzen, bezaubern, verführen? Typisch katholisch war die Welt damals bevölkert mit Heiligen, Sankt Georg, der es mit jedem ­Drachen aufnimmt, St. Katharina, die keinen Pestkranken allein lässt, St. Martin, der den Mantel mit dem Bettler teilt, überall Figuren, die exemplarisch lebten; ihre Bildchen wurden uns Kindern verteilt, ihre Geschichten fleissig erzählt. Inspirieren, nicht ermahnen. Anschauung statt Belehrung. Erzählungen von Tapferkeit, Barmherzigkeit, ­Charakter.

Finde ich rückblickend ziemlich schlau – ganz nach Wilhelm Buschs Maxime: «Tugend will ermuntert sein, Bosheit kann man schon allein.» Und was tun wir? Prügeln permanent auf Bosheiten ein. Täglich ein Wust an Beschuldigungen, Bloss­stellungen, Anklagen.

Die Welt, ein Augiasstall für Idioten, Kotzbrocken, Raffgierige, alte weisse Männer. Die Fraktion der Korrekten vollbeschäftigt mit Ausmisten.

Wie wär’s zwischendurch mit ermuntern statt misten? Muss nicht katholisch sein, Wilhelm Busch reicht. Statt Dauermisten im Stall – zeigen, wie attraktiv es ist, ihn mal zu verlassen.

Ludwig

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