«Jung & Alt»-Kolumne
Komm unter dem Bett hervor – wir machen hier Zukunft

In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 77, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 27. Diese Woche erklärt Hasler, weshalb er konsequent auf Mülltrennung setzt und Ressourcen spart.

Ludwig Hasler
Ludwig Hasler
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Die Menschheit produziert heute riesige Mengen an Abfall aus Verpackungsmaterial.

Die Menschheit produziert heute riesige Mengen an Abfall aus Verpackungsmaterial.

Bild: Keystone

Liebe Samantha

Ja, die Zukunft ist auch nicht mehr, was sie einmal war. Scheint schon eine Zeit lang so zu sein. Der Satz stammt ja von Karl Valentin.

Probleme, wo wir hinsehen. Da legst du dich am liebsten unters Bett. Hab es auch probiert, schwierig mit meinen Knochen. Unten hinein geht es – doch retour schaffe ich es nicht mehr. Auch gut, lege mich aufs Bett, denke nach.

Du findest, die Zukunft entscheiden wir Älteren. Vor allem die an den Hebeln der Entscheidung. Auf Klimakonferenzen und so. Ich weiss nicht. Alle sind für Klimaschutz, erledigen sollen es andere. Die Industrie, die Politik, die Technik. Glaub ich nicht. Ich glaub was anderes: Die Zukunft machen wir. Du. Ich.

Überall höre ich: Puh, was bringt uns die Zukunft? Für mich die falsche Frage. Besser wäre: Welche Zukunft wollen wir? Welche Zukunft will ich? Ja, ich? Ich bin überzeugt: Will ich eine Zukunft, die mit sich reden lässt, muss ich mit ihr zusammenarbeiten. Gleich heute.

Das wird mühsam, macht aber auch gute Laune. Ausnahmsweise weiss ich, wovon ich rede. Eines Tages nahm ich zur Kenntnis: Jeder von uns – Greis, Samantha, Baby – setzt zwei Kilo Müll in die Welt. Täglich! Dann ist etwas passiert in mir drin, nein, dachte ich, nicht mit mir, bin ich denn der Hanswurst der Ver­packungsindustrie? Sicher nicht. Seither trenne ich Abfall peinlichst, stelle um auf Zero-Waste.

Meine Freunde quittieren das gern so: Toll, Ludwig, aber du weisst, damit rettest du die Welt auch nicht. Klar, entgegne ich. Aber mich! Ich rette meine Selbstachtung. Ich will Person sein, kein Idiotenrädchen der Überflussgesellschaft. Es geht mir nicht ums Bravsein, das kann mir gestohlen bleiben, mir geht es um den Stolz der Souveränität. Um die Lust am Autarksein: Ich mache nicht jeden Stumpfsinn mit, den ich zum Kotzen finde.

Hörst du mich unter dem Bett? Was sagst du dazu? Ich rede vom Geschmack an Freiheit. Natürlich sollen wir politisch Druck machen. Aber mach ich nur, was irgendwelche Konferenzdelegierte beschliessen? Klar ist doch: Ändern wir nicht unseren Lebensstil, passiert eh nichts. Damit kann ich aber gleich beginnen. Mit der Haltung: Hey, das ist meine Welt. Es kommt auf mich an. Ich bin nicht euer nützlicher Idiot. In dieser Haltung mache ich den Epochenwandel nicht zähneknirschend mit, ich will ihn, er reanimiert meine Würde, meinen Stolz, Mensch zu sein statt nur Ressourcenverbraucher.

Appetit auf Zukunft – aus Lust auf Selbstachtung. Erinnert mich an Kants Kategorischen Imperativ, Maxime: Ich handle so, wie ich erwarte, dass alle handeln sollten. Kant, für dich ein Rassist. Wegen einer Fussnote. Der Text könnte dich glatt unter dem Bett hervorholen.

Ludwig

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