In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 78, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 28. Diese Woche erklärt Hasler, weshalb es grundsätzlich nur zwei biologische Geschlechter gibt.
Liebe Samantha
Doch, ich finde, es gibt klar zwei Geschlechter. Kommt halt drauf an, wo man hinschaut. Ich trieb früher etwas Leichtathletik, da ist der Fall Frau/Mann klar. Beim Weitsprung schaffen Frauen 7 Meter, bei Männern wird es ab 8 Metern ernst. Dito Hochsprung etc. Ich schau trotzdem lieber den Frauen zu. Hat auch mit binärem Code zu tun.
Du denkst an Mentalitäten, nicht an Muskeln und Adrenalin. Da mischt sich Weibliches und Männliches, einverstanden, die ewig einfühlsame Frau und der kalt berechnende Mann, das ist Schmarren. Machtfrauen kenne ich, Sentimentmänner auch. Und doch ticken wir real verblüffend gendertypisch. Marktforscher schicken zum Beispiel regelmässig eine Frau und einen Mann ins Kaufhaus, beide sollen eine Jeans kaufen.
Heraus kommt stets dasselbe: Der Mann löst die Aufgabe in dreizehn Minuten, danach langweilt er sich. Die Frau braucht schon fünfzehn Minuten, um die Jeans-Abteilung zu erreichen. Der Weg dahin ist gepflastert mit Versuchungen: Kaschmirpullovern, traumhaften Handtaschen, Riemchensandalen – jede Menge Dinge, die ihr Leben in eine neue Dimension heben könnten. Sie will shoppen, er kauft, was er braucht. Für ihn klingt Shopping nach Verpassen der Fussball-Übertragung, für sie nach lustvollem Spiel mit Möglichkeiten.
Klischees? Sicher. Aber nicht aus der Luft gegriffen. Ich zitiere nur. Entspricht übrigens oft meiner Erfahrung. Frauen, die ich kenne, sind rascher bereit für Wandel. Während Männer eher zufrieden sind mit der Art, wie sie angeliefert wurden. Frauen sind poetischer aufgelegt, warum sonst lesen sie all die Romane? Liegt das nun in der weiblichen «Natur»? Gibt es die überhaupt, und falls, wer will sie hinter all den historischen und kulturellen Ausformungen erkennen? Da hast du sicher recht mit deiner Skepsis zum binären Code.
Ich aber denke vergnügt daran, wie wir – siehe Charles Darwin – evolutionär entstanden sind: via «sexuelle Auslese». Im Reich der Tiere ist sie Damenwahl, läuft über das weibliche Auge, und das urteilt aus «Sehnsucht nach Variation», sagt Darwin. Das Weibchen sucht Farbe, Fantasie, Luxus. Das Männchen macht, was es kann, im Kopf hat es nichts als Sex, bekommt ihn aber nur, wenn es sich und das Nest so luxusmässig herrichtet, dass ein Weibchen davon begeistert ist. Der Zaunkönig baut gar mehrere Nester, die Königin hat die Wahl. Der Säulengärtner, der Kleinste in der Familie der Laubenvögel, baut die grössten Nester, bis zu zwei Meter hoch, überreich dekoriert mit Blüten und Flechten.
Die «Sehnsucht nach Variation» als weiblicher Lebenstrieb? Für dich «biologistische» Fantasterei, typisches Konstrukt von Männern? Ich finde es grossartig.
Ludwig