«Jung & Alt»-Kolumne
Gar nicht abwegig, wie ihr die Arbeit dreht

In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unsere Autorin Samantha Zaugg, 26, alternierend mit Ludwig Hasler, Philosoph und Publizist, 77. Diese Woche erklärt Hasler, wieso es von allen Generationen mehr wechselweises Interesse braucht.

Ludwig Hasler
Ludwig Hasler
Drucken
Nach Ansicht vieler Jungen muss Arbeit Spass machen und einen Sinn haben. Ältere Arbeitnehmer fordern dies weniger.

Nach Ansicht vieler Jungen muss Arbeit Spass machen und einen Sinn haben. Ältere Arbeitnehmer fordern dies weniger.

Bild: Keystone

Liebe Samantha

Ja, auch ich kenne Alte mit grossen Ohren, die taub sind für alles, was ihnen unvertraut vorkommt. So fertig sind sie mit sich und der Welt. Geht allerdings bereits mit 55. Oder mit 34. Sogar du machst grad auf Weltgericht, stellst Schopenhauer (Frauenhasser!) samt Kant (Rassist!) ohne Anhörung in die Sünderecke, urteilst aus dem Unfehlbarkeitsparadies der heiligen Diversity. So gelingt schwer, was ich wünsche: dass jugendliches Wissen und alte Erfahrung zusammenfinden. Du stimmst zu, sagst aber: Die Alten ­hören gar nicht zu. Alte Männer sowieso nicht.

Nur am Rand: Dass Alte Jungen zuhören sollen, ist menschheitsgeschichtlich ein Novum. Genetisch eine Mutation, nötig, nicht lustig. In statischen Gesellschaften hatten die Alten das Wissen, die Jungen eine Black Box, sie hatten zu hören, nichts zu sagen. Seit wir dynamisch unterwegs sind, gilt: Weil immer mehr sich immer schneller erneuert, veraltet auch immer mehr immer schneller. Vor allem das Wissen. Damit ist Schluss mit Vorteil Alter. Ausser im Spezialfall Erfahrung, die – anders als erwerbbare Theorie – sich von Praxis nährt, also Zeit braucht, Jahre. Und euer frisches Wissen bereichern könnte.

Alte Männer bereichern nicht, sagst du, sie labern dich voll mit ihren Heldentaten. Auch schon gehört. Als ich kürzlich vor Unternehmern sprach, verspottet einer die «sogenannte Erfahrung» als «Innovationskiller Nummer 1», sprach von der Borniertheit alternder Kader, die stets wüssten, wie man es macht, und jede Neuerung ausbremsten. Okay, aber ist das Erfahrung? Eher Klugscheisserei. Abgehängtes statt angereichertes Wissen. Eingebildetheit derer, die schon länger leben. Festgekrallt aus Angst, ausrangiert zu werden von Jüngeren.

Wie kommen wir da heraus? Vorschlag zur Güte: durch wechselweises Interesse. Heisst ja nicht schon, für alles Verständnis zu haben. Interessiert hinsehen genügt. Ich mach mal einen Anfang, Thema: Haltung zur Arbeit. Wie ihr die dreht, finde ich gar nicht so abartig. Für uns galt ja: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Die Reihenfolge war schlicht nötig. So glänzten wir in Arbeitstugenden: Fleiss, Ausdauer, Verlässlichkeit. Die Kehrseite: Das Vergnügen (den Sinn!) lagerten wir aus: in Feierabend, Wochenende, Ferien, Pension. Arbeit als Fron, Freiheit als Freizeit.

Warum denn das?, hör ich Generation Y fragen. Warum kein Vergnügen beim Arbeiten? Die Jungen, die ich kenne, wollen mehr als Job und Salär. Wollen sich entwickeln – in Tätigkeiten, die sie interessieren, die gesellschaftlich von Bedeutung sind. In einer coolen Community. Kurz, sie wollen so etwas wie Sinn – tagsüber, nicht bloss feierabends.

Bravo. Oder rede ich da etwas schön?

Ludwig

Weitere Episoden dieser Kolumne finden Sie hier: