«Jung & Alt»-Kolumne
Von Kondomen und Güggeli

In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 78, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 28. Diese Woche geht es um Wissen und Googeln anhand von zwei eingängigen Beispielen.

Samantha Zaugg
Samantha Zaugg
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Kondome gibts offenbar nun auch in der Öko-Variante.

Kondome gibts offenbar nun auch in der Öko-Variante.

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Lieber Ludwig

Einst war der Dumme nichts als dumm. Keine Ahnung, dadurch unschuldig. So schreibst du es in deinem letzten Brief. Wer heute in unseren Regionen keine Ahnung hat, ist selber schuld, das Wissen liegt ja offen da. Ich gebe dir recht. Aber genau das, das stets verfügbare Wissen, ist ja das Problem. Lass mich präzisieren: vermutlich ist Information der richtige Begriff. Wissen und Information ist nicht das Gleiche. Ist wie wissen und googeln, das wird auch oft verwechselt. Item.

Dass Information so leicht verfügbar ist, macht die Sache manchmal überhaupt erst schwierig. Ich für meinen Teil weiss manchmal gar nicht was tun oder eben nicht. Was ich anhand von Kondomen und Poulet erläutern möchte. Zuerst zu den Kondomen. Die bestehen meistens aus Latex, das wiederum besteht aus dem Saft des Kautschukbaumes. Kautschukbäume werden oft in Monokulturen angepflanzt. Rodung von Wäldern, Pestizide, Zerstörung von Lebensraum inklusive. Aufgrund gesteigerter Nachfrage gibt es unterdessen aber auch nachhaltige Kondome. Der Kautschuk wird von Kleinbauern produziert, die faire Preise bekommen und beim Anbau Rücksicht auf die Umwelt nehmen können. So weit, so gut.

Diese Kondome müssen dann aber auch verpackt werden. Das geschah bisher in Plastik. Weil aber unterdessen bekannt ist, dass Plastik nicht besonders umweltfreundlich ist, bieten einige Hersteller Papierverpackungen an. Die müssen allerdings beschichtet werden, weil die Kondome ja feucht sind. Und dann kann man die Verpackung nicht mehr recyceln. Plastik ist zwar Plastik, kann aber theoretisch rezykliert werden. Was ist also das kleinere Übel? Zugegeben, dies ist ein sehr spezifisches Problem. Aber dennoch interessant, weil es zeigt, wie komplex Produktionsketten sind. Und wie man manchmal mit dem Wunsch nach Nachhaltigkeit etwas sogar verschlimmbessert.

Zum zweiten Beispiel, dem Poulet. Ein modernes Mastpoulet kann in sagenhaften 28 Tagen das Schlachtgewicht erreichen. Kann jede und jeder im Internet nachlesen. Diese Mastpoulets leben weniger lang als ein Freilandhuhn, brauchen ergo wenig Futter, weniger Platz, weniger Strom und so weiter. Das Güggeli aus intensiver Mast braucht also weniger Ressourcen, ist theoretisch umweltfreundlicher. Dafür aber aus ethischer Sicht unvertretbar. Was ist wichtiger? Lebensqualität von Hühnern oder Klimabilanz? Antwort der Spielverderberin: Am besten natürlich gar kein Fleisch essen. Aber das wird erfahrungsgemäss nicht passieren, man will ja nichts wissen, was die Gewohnheit stören könnte. Das ist im Übrigen kein generationenspezifisches Problem.

Ich bin vor lauter Information manchmal wie gelähmt und kann mich beinahe gar nicht mehr für irgendetwas entscheiden. Oft ist es ein Abwägen, um schliesslich das kleinere Übel zu wählen. Kennst du das?

Samantha

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