«Jung & Alt»-Kolumne
Das ultimativ identitätsstiftende Schweizerische Kulturgut

In der «Jung & Alt»-Kolumne schreibt unser Autor Ludwig Hasler, 77, alternierend mit Samantha Zaugg, Journalistin, 28. Diese Woche geht’s ums ein Kulturgut von nationaler Bedeutung.

Samantha Zaugg
Samantha Zaugg
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Alles was auf den Grill kommt nennt man Grillade – ebenfalls ein fremdes Wort, veraltet und nur noch in der Schweiz gebräuchlich, sagt der Duden.

Alles was auf den Grill kommt nennt man Grillade – ebenfalls ein fremdes Wort, veraltet und nur noch in der Schweiz gebräuchlich, sagt der Duden.

Keystone

Lieber Ludwig

übers Grillieren willst du also schreiben. Na gut. Ich bin etwas nervös. Ich habe mich mit einem ähnlichen Thema schon einmal in die Nesseln gesetzt. Fondue chinoise, wir erinnern uns. Ich möchte mich also hier zuerst ans Publikum wenden. Guten Tag. Wenn Sie der Meinung sind, Grillieren ist identitätsstiftendes schweizerisches Kulturgut, dann hören Sie bitte ab hier auf, zu lesen. Beim letzten Absatz können Sie meinetwegen wieder einsteigen. Aber ab hier ist wirklich Schluss.

Gut, jetzt sind wir unter uns. Ich muss dir zustimmen. Ich verstehe das Aufheben nicht, was die Leute ums Grillieren machen. Es fängt ja schon beim Begriff an. Auf gar keinen Fall darf man Grillen sagen. Nein, in der Schweiz muss es zwingend Grillieren heissen. Plötzlich sind wir ein Volk von Sprachpuristen.

Und plötzlich haben wir auch wieder eine sehr strenge Rollenteilung. Ich freue mich ja, dass binäre Geschlechterrollen in vielen Bereichen zusehends hinterfragt werden. Aber sobald es ums Grillieren geht, sind die plötzlich wieder sehr hartnäckig. Als hätte die Emanzipation überall stattgefunden ausser am Grill. Wenn es ums Fleischgrillieren geht, dann sind Männer plötzlich sehr involviert.

An dieser Stelle eine Begriffsklärung. Grillieren heisst, man steht am Grill, in der einen Hand eine Grillzange oder so was, in der anderen eine Flasche Bier. Dazu macht man einen Witz über Vegetarier. Um anschliessend zu ergänzen, nein, sicher nicht. Man esse nur noch ganz wenig Fleisch. Also eigentlich fast nicht mehr. Und wenn, dann achte man auf die Qualität. Also schon aus der Schweiz. Auch nur von Tieren, die artgerecht gehalten werden. Aber manchmal sei es eben schon fein. So ein gutes Stück Fleisch vom Grill, weisch.

Nein, wenn ich ehrlich bin, weiss ich eigentlich nicht. Grillieren ist oft vor allem mühsam. Man drängt sich auf einem Balkon, es ist heiss, nur der kleinste Teil des Essens hat mit dem Grill zu tun. Der ganze Rest – seien wir mal ehrlich, am meisten zu tun geben die ganzen Salate – muss ohnehin in der Küche vorbereitet werden. Und hier kommen wieder die Geschlechterrollen ins Spiel, das übernehmen oft weiblich gelesene Personen.

Und das Beste kommt zum Schluss: Dann muss nämlich der Grill auch noch geputzt werden. Kurzum, ich sehe die Notwendigkeit nicht. Ein Kochherd ist eine tolle zivilisatorische Errungenschaft. Entweder Feuerstelle oder Kochherd. Alles dazwischen ist affektiert. Ich habe den Eindruck, deine Generation macht da nicht so ein Getue draus. Meine Theorie ist ja, dass ihr euch im Alltag noch mit Kochherd zum Einfeuern und all so was plagen musstet. Und euch deshalb heute nicht auch noch Haushalten unter erschwerten Bedingungen aufladen wollt.

Samantha

Hinweis: Jung & Alt gibt es jetzt auch als Buch. Verlag Rüffer & Rub.

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